Oblomow
gebracht. Aber Oblomow hatte anfangs nicht zuhören wollen – sie ärgerte sich und sie ... gab sich Mühe ... (sie errötete heftig) – ja sie wendete ihre ganze Kraft an, um ihn aufzurütteln. Stolz hatte ihr gesagt, er wäre apathisch, nichts interessiere ihn und alles in ihm wäre erloschen. Da wollte sie sehen, ob alles erloschen wäre, und sie sang, sie sang ... wie noch nie ... »Mein Gott! es ist ja meine Schuld; ich werde ihn um Verzeihung bitten ... Was soll er mir aber verzeihen?« fragte sie sich dann, »was werde ich ihm sagen: Herr Oblomow, ich bin schuldig, ich habe Sie verführt ... Welche Schande! Das ist nicht wahr!« sagte sie errötend und mit dem Fuße stampfend. »Wer wagt das zu denken? ... Habe ich denn gewußt, was dabei herauskommen wird? Und wenn das nicht geschehen, wenn es ihm nicht entschlüpft wäre ... was dann? ...« fragte sie. Ich weiß nicht ... dachte sie. Seit dem Tage ist es ihr so seltsam ums Herz ... sie ist wohl sehr gekränkt ... es wird ihr sogar ganz heiß, und auf ihren Wangen glühen zwei rosige Flecken ... »Gereiztheit ... leichtes Fieber«, sagt der Arzt. Was dieser Oblomow angestellt hat! Oh, er muß eine ordentliche Lehre bekommen, damit das in Zukunft nicht mehr vorkommt! Ich werde ma tante ersuchen, ihm das Haus zu verbieten; er darf sich nicht vergessen ... wie er es nur gewagt hat! dachte sie, im Park herumgehend; ihre Augen leuchteten.
Plötzlich hörte sie jemand kommen.
Jemand kommt ... dachte Oblomow.
Und sie stießen aufeinander.
»Oljga Sjergejewna!« sagte er, wie ein Espenblatt zitternd.
»Ilja Iljitsch!« antwortete sie schüchtern, und beide blieben stehen.
»Guten Tag!« sagte er.
»Guten Tag!« erwiderte sie.
»Wohin gehen Sie?« fragte er.
»Nur so ...« antwortete sie, ohne die Augen zu heben.
»Störe ich Sie?«
»O nicht im geringsten ...« gab sie zur Antwort, ihn rasch und neugierig anblickend.
»Darf ich mitgehen?« fragte er plötzlich, ihr einen forschenden Blick zuwerfend.
Sie schritten schweigend die Allee entlang. Weder das Lineal des Lehrers, noch die gefurchten Brauen des Direktors hatten Oblomows Herz so wie jetzt klopfen gemacht. Er wollte sich dazu zwingen, etwas zu sagen, aber die Worte wollten ihm nicht von der Zunge; nur sein Herz schlug auf eine unglaubliche Weise, wie vor einem Unglück.
»Haben Sie einen Brief von Andrej Iwanowitsch erhalten?« fragte sie.
»Ja, ich habe einen erhalten.«
»Was schreibt er?«
»Er ruft mich nach Paris.«
»Und was tun Sie?«
»Ich fahre hin.«
»Wann?«
»Jetzt gleich ... nein, morgen ... sowie ich fertig bin.«
»Warum so bald?« fragte sie.
Er schwieg.
»Gefällt Ihnen die Landwohnung nicht, oder ... sagen Sie, warum wollen Sie verreisen?«
Diese Frechheit! Er will noch verreisen! dachte sie.
»Mir ist es so weh, so unbehaglich zumute, etwas brennt mich ...« flüsterte Oblomow, ohne sie anzublicken.
Sie schwieg. Dann pflückte sie einen Fliederzweig und roch daran, sich die Nase und das Gesicht bedeckend.
»Riechen Sie, wie das duftet!« sagte sie und bedeckte auch seine Nase.
»Und da sind Maiglöckchen! Warten Sie, ich werde welche pflücken«, sagte er, sich über das Gras beugend, »sie riechen besser nach Feld und Wald; es ist mehr Natur in ihnen. Und der Flieder wächst immer bei den Häusern, die Zweige kriechen förmlich zum Fenster hinein, und ihr Duft ist zu süßlich. Auf den Maiglöckchen ist der Tau noch nicht getrocknet.«
Er reichte ihr ein paar Blüten.
»Und lieben Sie Reseda?« fragte sie.
»Nein, das riecht zu stark; ich liebe weder Reseda noch Rosen. Ich liebe überhaupt keine Blumen; im Feld geht es noch an, aber im Zimmer machen sie so viel Schererei ... und man hat gleich Kehricht ...«
»Und Sie lieben, daß es in den Zimmern rein ist?« fragte sie, ihn schelmisch anblickend. »Sie vertragen keinen Kehricht?«
»Ja; aber ich habe einen solchen Diener ...« murmelte er. O die Böse! fügte er im stillen hinzu.
»Reisen Sie direkt nach Paris?« fragte sie.
»Ja; Stolz erwartet mich längst.«
»Bringen Sie ihm einen Brief von mir mit; ich werde ihm schreiben.«
»Geben Sie ihn mir heute; ich übersiedle morgen in die Stadt.«
»Morgen?« fragte sie, »warum so schnell? Es ist, als ob jemand Sie fortjagte.«
»Es ist auch so ...«
»Wer denn?«
»Die Scham ...« flüsterte er.
»Die Scham!« wiederholte sie mechanisch. Jetzt werde ich ihm sagen: Herr Oblomow, ich hätte es nie erwartet.
»Ja, Oljga Sjergejewna«, brachte er
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