Oblomow
wahr ist, daß Sie geweint hätten, wenn mir nach Ihrem Gesang jener Ausruf nicht entschlüpft wäre, dann erbarmen Sie sich, Oljga Sjergejewna! Wenn Sie jetzt so fortgehen, ohne mir zuzulächeln und mir freundschaftlich die Hand zu reichen ... werde ich krank sein, meine Knie zittern, ich halte mich mit Mühe aufrecht ...«
»Warum?« fragte sie plötzlich, ihn anblickend.
»Das weiß ich selbst nicht«, sagte er, »die Scham ist jetzt bei mir vergangen; ich schäme mich meines Wortes nicht ... mir scheint, darin ...«
Es wurde ihm wieder seltsam ums Herz; er fühlte darin wieder etwas Neues; ihr freundlicher, neugieriger Blick sengte ihn wieder. Sie wandte sich so graziös zu ihm um und erwartete so unruhig die Antwort.
»Was ist ›darin‹?« fragte sie ungeduldig.
»Nein, ich fürchte mich, es zu sagen, Sie werden wieder böse sein.«
»Sprechen Sie!« sagte sie befehlend.
Er schwieg.
»Nun?«
»Ich will wieder weinen, wenn ich Sie anblicke ... Sehen Sie, ich bin nicht eitel, ich schäme mich nicht meines Herzens ...«
»Warum wollen Sie denn weinen?« fragte sie sanft, und auf ihren Wangen erschienen wieder zwei rosige Flecken.
»Ich höre immer Ihre Stimme ... ich fühle wieder ...«
»Was?« sagte sie, und die Tränen strömten von ihrer Brust wieder zurück; sie wartete gespannt.
Sie näherten sich der Freitreppe.
»Ich fühle ...« beeilte sich Oblomow hinzuzufügen und blieb stehen.
Und sie stieg langsam, wie mit Mühe, die Stufen hinauf.
»Dieselbe Musik ... dieselbe Erregung ... dasselbe Gef ... – verzeihen Sie, verzeihen Sie – bei Gott, ich kann mit mir nicht fertig werden ...«
»Herr Oblomow ...« begann sie streng, dann erhellte der Strahl eines Lächelns ihr Gesicht, »ich bin nicht böse, ich verzeihe«, fügte sie weich hinzu, »aber in Zukunft ...«
Sie streckte ihm, ohne sich umzuwenden, nach rückwärts die Hand hin; er erfaßte sie und küßte die Handfläche, sie preßte leise seine Lippen zusammen und sprang wie der Blitz in die Glastüre hinein, während er wie eine Bildsäule stehenblieb.
Siebentes Kapitel
Er blickte ihr lange mit großen Augen und offenem Munde nach und ließ seine Augen lange über das Gebüsch schweifen ... Es gingen fremde Leute vorüber, ein Vogel flatterte über ihm hin. Eine vorübergehende Bäuerin fragte, ob er keine Beeren kaufen wolle – seine Betäubung hielt an. Er ging wieder langsam dieselbe Allee entlang und schritt leise bis zu ihrer Hälfte hin, er stieß auf die Maiglöckchen, die Oljga verloren hatte, und auf den Fliederzweig, den sie gepflückt und ärgerlich fortgeworfen hatte. Warum war sie so ...? begann er zu überlegen und sich zu erinnern ... »Dummkopf! Dummkopf!« sagte er plötzlich laut, die Maiglöckchen und den Zweig ergreifend, und lief fast durch die Allee. »Ich habe sie um Verzeihung gebeten, und sie ... ach, ist's möglich? ... Welcher Gedanke!« Glücklich, strahlend, »mit einem Mond auf der Stirne«, wie seine Kinderfrau zu sagen pflegte, kam er nach Hause, setzte sich in die Sofaecke und schrieb schnell auf den Staub des Tisches mit großen Buchstaben: Oljga? »Ach, welch ein Staub!« bemerkte er, aus seinem Entzücken erwachend. »Sachar! Sachar!« schrie er lange, denn Sachar saß mit den Bedienten am Haustor, das sich im Gäßchen befand. »Komm doch«, sagte Anissja mit drohendem Flüstern ihn am Ärmel zupfend. »Der Herr ruft dich schon lange«.
»Schau einmal, Sachar, was ist das?« sagte Ilja Iljitsch sanft und gütig; er war jetzt nicht imstande böse zu sein. »Du willst hier eine ebensolche Unordnung, Staub und Spinngewebe einführen? Nein, verzeihe, ich erlaube es nicht! Oljga Sjergejewna gibt mir schon längst keine Ruhe; sie sagt, ›Sie lieben den Kehricht‹.«
»Ja, sie hat gut reden; dort sind fünf Dienstboten«, sagte Sachar, sich zur Tür wendend.
»Wohin gehst du? Fege den Schmutz weg; man kann hier weder sitzen noch sich mit dem Ellbogen stützen ... Das ist ja ekelhaft, das ist ... Oblomowerei!«
Sachar machte ein finsteres Gesicht und blickte den Herrn von der Seite an.
Da haben wir's! dachte er, er hat noch ein trauriges Wort mehr ausgedacht! Es klingt aber so bekannt!
»Nun, fege doch aus, was stehst du da?« sagte Oblomow.
»Warum soll ich denn ausfegen? Ich habe heute schon ausgefegt!« antwortete Sachar eigensinnig.
»Woher ist denn dann der Staub, wenn du gefegt hast? Schau einmal, hier, hier! Das darf nicht so bleiben, fege es sofort aus!«
»Ich habe gefegt«,
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