Oblomow
wiederholte Sachar, »ich werde doch nicht zehnmal fegen! Und der Staub kommt von draußen herein ... hier sind Felder, wir sind ja auf dem Lande ... es gibt auf der Straße viel Staub.«
»Sachar Trofimitsch«, begann Anissja plötzlich aus dem Nebenzimmer hereinblickend, »du fegst zuerst den Fußboden und dann die Tische; der Staub setzt sich dann wieder ... du solltest zuerst ...«
»Willst du mich belehren?« krächzte Sachar wütend, »geh an deinen Dienst!«
»Wo hat man denn je gesehen, daß zuerst die Fußböden und dann die Tische gefegt werden? ... Darum ist der Herr auch böse ...«
»Du!« schrie Sachar, mit dem Ellbogen auf ihre Brust zielend.
Sie lachte und verschwand. Oblomow schickte auch ihn hinaus. Er legte seinen Kopf auf das gestickte Kissen, hielt die Hand aufs Herz und lauschte seinem Klopfen.
»Das ist ja schädlich«, sagte er im stillen. »Was soll ich tun? Wenn ich den Doktor um Rat frage, schickt er mich nach Abessinien!«
Solange Sachar und Anissja nicht verheiratet waren, gab sich jeder von ihnen mit seinem Ressort ab, ohne sich mit den Angelegenheiten des anderen zu befassen, das heißt, Anissja ging auf den Markt und beschäftigte sich mit der Küche und nahm nur einmal im Jahr am Zusammenräumen der Zimmer teil, wenn sie die Fußböden wusch. Doch nach der Hochzeit wurde ihr der Zutritt in die Zimmer der Herrschaft eröffnet. Sie half Sachar und nahm überhaupt einige Pflichten des Mannes auf sich, teils freiwillig, teils weil Sachar sie ihr despotisch auferlegt hatte, und in den Zimmern wurde es reiner. »Da, klopfe den Teppich«, krächzte er gebieterisch, oder: »Schau einmal nach, was dort in der Ecke liegt, und trage das Überflüssige in die Küche hinaus.« Er schwelgte so einen Monat lang; in den Zimmern war es rein, der Herr brummte nicht, sagte keine »traurigen Worte«, und Sachar brauchte nichts zu tun. Doch diese Seligkeit nahm ein baldiges Ende, und zwar aus folgendem Grunde: Sowie er mit Anissja zusammen in den herrschaftlichen Zimmern zu arbeiten begann, ergab es sich, daß alles, was Sachar tat, eine Dummheit war. Ein jeder Schritt war falsch und sollte anders gemacht werden. Er war fünfundfünfzig Jahre lang auf der Welt mit der Gewißheit herumgegangen, daß alles, was er tat, gar nicht anders und besser getan werden konnte. Und jetzt plötzlich hatte Anissja ihm in zwei Wochen bewiesen, daß er nichts wert war; und sie tat es mit einer so kränkenden Herablassung, so still, wie man es nur mit Kindern oder vollständigen Dummköpfen tut, und lachte noch, wenn sie ihn ansah. »Du, Sachar Trofimitsch«, sagte sie freundlich, »du solltest nicht zuerst den Schornstein in den Öfen zumachen und dann das Fenster aufmachen; da wird's in den Zimmern wieder kalt.« – »Wie soll ich's denn machen?« fragte er mit der Grobheit des Mannes. »Wann soll ich das Fenster aufmachen?« –»Beim Einheizen; es zieht die Luft hinaus, und dann wird's wieder warm«, antwortete sie leise. »So eine Närrin!« sagte er, »ich hab's zwanzig Jahre lang so gemacht, und soll ich's jetzt deinetwegen anders machen ...« Im Schrank auf dem Brett lag bei ihm alles durcheinander: Tee, Zucker, Zitrone, das Silberzeug und daneben Schuhwichse, Bürsten und Seife.
Eines Tages kam er und sah plötzlich, daß die Seife auf dem Waschtisch, die Bürsten und die Schuhwichse auf dem Küchenfenster und der Tee und Zucker in einer besonderen Schublade der Kommode lagen. »Warum bringst du mir das alles durcheinander, he?« fragte er drohend, »ich habe absichtlich alles in einen Haufen gelegt, damit ich es bei der Hand habe, und du hast alles in alle Ecken und Enden zerstreut.« – »Damit der Tee nicht nach Seife riecht«, bemerkte sie sanft. Ein anderes Mal zeigte sie ihm in den Kleidern des Herrn zwei, drei Löcher, die von Motten herrührten, und sagte, daß die Kleider durchaus einmal wöchentlich geklopft und gebürstet werden müßten. »Laß mich nur, ich klopfe sie schon mit dem Besen aus«, schloß sie freundlich. Er riß ihr den Besen und den Frack, den sie schon genommen hatte, aus der Hand und legte die Sachen auf ihren Platz. Als er ein anderes Mal seiner Gewohnheit nach über den Herrn schimpfte, weil dieser ihm die Küchenschwaben vorwarf und meinte, er hätte sie doch nicht ausgedacht, räumte Anissja schweigend die seit undenklichen Zeiten auf dem Brett herumliegenden Brotstücke und Krumen fort, fegte und wusch die Schränke und das Geschirr – und die Küchenschwaben
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