Oblomow
lebhaftes, alles Neue berührendes Gespräch geführt wurde. Außerdem dachte Stolz, daß das Zusammensein mit einem jungen, sympathischen, gescheiten, lebhaften und teilweise spöttischen Mädchen auf Oblomows schläfriges Leben dieselbe Wirkung ausüben würde wie das Anzünden einer Lampe in einem düsteren Zimmer, wobei sich ein gleichmäßiges Licht in allen dunklen Ecken verbreitet, die Temperatur um ein paar Grade steigt und das Zimmer heiterer erscheint. Das war das Resultat, das er anstrebte, als er Oblomow mit Oljga bekannt machte. Er hatte nicht vorausgesehen, daß dabei ein Feuerwerk entstehen würde, Oljga und Oblomow erst recht nicht.
Ilja Iljitsch blieb zwei Stunden lang steif mit der Tante sitzen, ohne ein einziges Mal ein Bein auf das andere zu legen, und unterhielt sich auf eine sehr anständige Weise über alles mögliche mit ihr; er rückte ihr sogar ein paarmal geschickt den Schemel unter die Füße. Dann kam der Baron, lächelte höflich und drückte ihm freundlich die Hand. Oblomow benahm sich noch steifer, und alle drei waren miteinander höchst zufrieden. Die Tante beobachtete Oblomows Gespräche mit Oljga unter vier Augen und ihre Spaziergänge ... oder besser gesagt, sie beobachtete sie gar nicht. Das Spazierengehen mit einem jungen Manne, mit einem Gecken, wäre etwas anderes gewesen; sie hätte auch dann nichts gesagt, hätte die Sache aber mit dem ihr eigenen Takt unmerklich wieder ins Gleichgewicht gebracht; sie würde ein- oder zweimal selbst mitgegangen sein oder irgend jemand anderen mitgeschickt haben, und die Spaziergänge hätten von selbst aufgehört. Aber mit »Herrn Oblomow« spazierenzugehen, mit ihm in einer Ecke des Salons und auf dem Balkon zu sitzen, was war denn dabei? Er war im dreißigsten Jahre, da würde er ihr doch keine Dummheiten sagen oder unpassende Bücher geben ... Das würde wohl niemand einfallen. Außerdem hatte die Tante gehört, wie Stolz am Tage vor seiner Abreise zu Oljga sagte, sie möchte ihn nicht hindämmern lassen, sie sollte ihm das Schlafen verbieten, ihn quälen, tyrannisieren, ihm verschiedene Aufträge übergeben, mit einem Worte, über ihn verfügen. Er hatte auch die Tante gebeten, Oblomow nicht aus den Augen zu lassen, ihn öfters einzuladen, an Spaziergängen und Ausflügen teilnehmen zu lassen und ihn auf jede erdenkliche Weise aufzurütteln, wenn er nicht ins Ausland reiste.
Oljga zeigte sich nicht, solange er bei der Tante saß, und die Zeit zog sich langsam hin. Oblomow überlief es wieder bald heiß und bald kalt. Er ahnte bereits die Ursache der Veränderung in Oljga. Dieser Umschlag in ihrem Benehmen war für ihn noch bedrückender als der frühere. Sein erster Fehltritt hatte in ihm nur Scham und Furcht hervorgerufen; jetzt war es ihm aber schwer, unbehaglich, kalt und traurig ums Herz, wie bei nassem, regnerischem Wetter. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, daß er von ihrer Liebe zu ihm wußte; aber vielleicht war diese Vermutung falsch. Dann wäre es tatsächlich eine Kränkung gewesen, und vielleicht eine, die nicht mehr gutzumachen war. Wenn er aber richtig erraten hatte, wie plump hatte er es angefangen! Er war einfach ein Narr gewesen. Er konnte das Gefühl, das schüchtern an das junge, jungfräuliche Herz pochte, das sich leicht und vorsichtig wie ein Vogel auf einen Zweig setzte, verscheucht haben; ein Laut, ein Rascheln, und es war davongeflogen. Er wartete mit bebendem Herzen auf Oljgas Kommen – was würde sie sagen und wie würde sie ihn anblicken ...
Sie kam, und er konnte sich bei ihrem Anblicke nicht genug wundern; er erkannte sie kaum. Sie hatte ein anderes Gesicht, sogar eine andere Stimme. Das junge, naive, fast kindliche Lächeln erschien kein einziges Mal auf ihren Lippen, sie blickte ihn kein einziges Mal mit weit offenen Augen an, in denen sich eine Frage, ein Zweifel oder einfach Neugierde ausdrückte, als hätte sie nichts mehr zu fragen, zu erfahren, als setzte sie nichts mehr in Erstaunen! Ihr Blick folgte ihm nicht mehr wie früher. Sie sah ihn an, als kenne sie ihn lange, als bedeute er für sie nichts, dasselbe wie der Baron – mit einem Wort, es war, als hätte er sie ein Jahr lang nicht gesehen, und als wäre sie während der Zeit gereift. Es war in ihr weder Strenge noch Ärger, sie scherzte und lachte sogar und beantwortete eingehend Fragen, die sie früher gar nicht beachtet hätte. Man sah, daß sie beschlossen hatte, sich dazu zu zwingen, was andere taten, und was sie früher nicht getan
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