Oblomow
das Fräulein gesagt. ›Ja, aber er hat nur zwei junge Hühner gegessen‹, hab' ich gesagt...«
»Dummkopf!« sagte Oblomow zornig.
»Warum bin ich ein Dummkopf! Ist denn das nicht wahr?« sagte Sachar, »ich kann ja noch die Knochen zeigen ...«
»Du bist wirklich ein Dummkopf!« wiederholte Oblomow. »Nun, und was hat sie dazu gesagt?«
»Sie hat gelacht. ›Warum denn so wenig?‹ hat sie dann noch gesagt.«
»So ein Dummkopf!« wiederholte Oblomow. »Du hättest ihr noch sagen sollen, daß du mir das Hemd verkehrt anziehst.«
»Sie hat nicht gefragt, darum hab' ich's nicht gesagt«, antwortete Sachar.
»Was hat sie noch gefragt?«
»Sie hat gefragt, was Sie diese Tage gemacht haben.«
»Nun, und was hast du geantwortet?«
»Daß Sie nichts tun und immer nur liegen.«
»Ach! ...« rief Oblomow mit heftigem Ärger aus, indem er die Fäuste an die Schläfen preßte. »Geh hinaus!« fügte er drohend hinzu. »Wenn du es noch einmal wagst, über mich solche Dummheiten zu erzählen, dann erlebst du was! Wieviel Gift in diesem Menschen steckt!«
»Soll ich vielleicht auf meine alten Jahre lügen?« rechtfertigte sich Sachar.
»Geh hinaus!« wiederholte Ilja Iljitsch.
Sachar fürchtete das Schimpfen nicht, wenn der Herr nur keine »traurigen Worte« gebrauchte.
»Ich hab' gesagt, daß Sie auf die Wiborgskajastraße übersiedeln wollen«, schloß Sachar.
»Geh!« rief Oblomow befehlend aus. Sachar ging und seufzte so, daß es durchs ganze Wohnzimmer tönte, und Oblomow begann Tee zu trinken. Als er damit fertig war, aß er von dem großen Vorrat der Semmeln und Kringeln nur eine einzige Semmel, da er sich vor Sachars Unbescheidenheit fürchtete. Dann zündete er sich eine Zigarre an und setzte sich an den Tisch, er öffnete ein Buch, las darin eine Seite und wollte sie umwenden, das Buch war aber nicht aufgeschnitten. Oblomow riß die Seiten mit dem Finger auf, so daß sich an den Rändern Zacken bildeten, aber das Buch gehörte nicht ihm, sondern Stolz, der besonders bei seinen Büchern auf eine so strenge und langweilige Ordnung hielt, daß es unerträglich war. Die Papiere, die Bleistifte, alle Kleinigkeiten mußten so liegenbleiben, wie er sie hingelegt hatte. Er konnte ja ein Papiermesser nehmen, es war aber keins da; er konnte natürlich auch ein Tischmesser verlangen, doch Oblomow zog es vor, das Buch auf seinen Platz hinzulegen und sich auf das Sofa zu legen; doch kaum hatte er sich mit der Hand auf das gestickte Kissen gestützt, um es sich bequemer zu machen, als Sachar ins Zimmer trat.
»Das Fräulein hat noch gebeten, Sie möchten in diesen ... ach, wie heißt er doch ... kommen! ...« meldete er.
»Warum hast du mir es nicht früher, vor zwei Stunden, gesagt?« fragte Oblomow eilig.
»Sie haben mir ja befohlen hinauszugehen und haben mich nicht ausreden lassen ...« entgegnete Sachar.
»Du richtest mich zugrunde, Sachar!« sprach Oblomow pathetisch.
Er fängt schon wieder an! dachte Sachar, dem Herrn seinen linken Backenbart zuwendend und auf die Mauer blickend, immer muß er ein solches Wort dazwischensetzen!
»Wohin soll ich kommen?« fragte Oblomow.
»In diesen, wie heißt er denn? In den Garten, so was wird's sein ...«
»In den Park?« fragte Oblomow.
»Ja, in den Park, so ist's, ›er soll hinkommen, wenn er will; ich werde dort sein‹, hat sie gesagt ...«
»Ankleiden!«
Oblomow lief im ganzen Park herum, blickte zwischen die Beete und in die Lauben hinein – Oljga war nicht da. Er ging durch die Allee, in der die Erklärung stattgefunden hatte, und traf sie dort auf einer Bank, nicht weit von der Stelle, wo sie den Zweig gepflückt und fortgeworfen hatte.
»Ich dachte, Sie kommen nicht mehr«, sagte sie freundlich.
»Ich suche Sie schon lange im ganzen Park«, antwortete er.
»Ich wußte, daß Sie suchen würden, und habe mich absichtlich in diese Allee gesetzt; ich glaubte, daß Sie sicher hier vorübergehen würden.«
Er wollte fragen: Warum glaubten Sie das?, blickte sie aber an und fragte nicht. Sie hatte ein anderes Gesicht, nicht dasjenige, das sie gehabt hatte, als sie hier spazierengingen, sondern das vom letztenmal, das ihm eine solche Unruhe eingeflößt hatte. Auch ihre Freundlichkeit war so zurückhaltend, der ganze Gesichtsausdruck war so in sich gekehrt, so bestimmt; er sah, daß man mit ihr nicht mehr mit Vermutungen, Anspielungen und naiven Fragen spielen konnte, daß dieser kindliche, fröhliche Augenblick schon vorüber war. Vieles, was nicht zu
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