Oblomow
Angelegenheiten? Ich weiß nichts«, antwortete Alexejew, ihn neugierig anblickend.
»Wissen Sie, warum ich so lange nicht aufstehe? Ich habe immer dagelegen und habe nachgedacht, wie ich mich von der Verlegenheit befreien soll.«
»Was ist es denn?« fragte Alexejew und bestrebte sich, ein erschrockenes Gesicht zu machen.
»Ich habe ein doppeltes Unglück! Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Was denn für eins?«
»Man jagt mich aus der Wohnung heraus, denken Sie sich – ich soll umziehen: das Einpacken, die Schererei ... es ist schrecklich, daran zu denken! Ich wohne doch nun acht Jahre in dem Hause. Der Hausherr hat mir einen Streich gespielt und sagt: ›Räumen Sie schnell die Wohnung.‹«
»Und noch dazu schnell! Es muß also sein. Das Umziehen ist etwas sehr Unangenehmes; damit sind immer viele Scherereien verbunden«, sagte Alexejew. »Vieles wird zerschlagen und geht verloren – das ist sehr langweilig! Und Sie haben eine so schöne Wohnung ... Was zahlen Sie?«
»Wo findet man eine zweite solche Wohnung«, sagte Oblomow, »und noch dazu in der Eile? Die Wohnung ist trocken und warm; es ist ein ruhiges Haus; man hat mich nur einmal bestohlen. Die Zimmerdecke schaut ganz unzuverlässig aus, der Mörtel ist ganz lose daran, fällt aber doch nicht herab.«
»Wirklich?« sagte Alexejew, den Kopf hin und her wiegend.
»Wie soll man es einrichten, daß ich nicht umziehen muß?« sagte Oblomow grübelnd vor sich hin.
»Haben Sie Ihre Wohnung kontraktlich gemietet?« fragte Alexejew, das Zimmer von der Decke bis zum Fußboden musternd.
»Ja, aber der Kontrakt ist abgelaufen; ich habe die ganze Zeit monatlich gezahlt ... ich weiß aber nicht wie lange.«
Beide sannen nach.
»Was haben Sie also vor?« fragte Alexejew nach einem Schweigen, »ziehen Sie um oder bleiben Sie?«
»Ich habe gar nichts vor«, sagte Oblomow, »ich will gar nicht daran denken. Sachar soll etwas erfinden.«
»Und manche Menschen lieben das Umziehen«, sagte Alexejew, »das Wohnungswechseln ist ihr einziges Vergnügen ...«
»Nun, dann sollen die ›Manchen‹ auch umziehen! Aber ich kann alle diese Veränderungen nicht ausstehen! Die Wohnung ist noch das wenigste! Schauen Sie einmal, was mir der Dorfschulze schreibt. Ich werde Ihnen gleich den Brief zeigen ... Wo ist er? Sachar, Sachar!«
»Ach du himmlische Jungfrau!« krächzte Sachar in seinem Zimmer, indem er von der Ofenbank heruntersprang: »Wann wird mich Gott zu sich rufen?«
Er kam herein und blickte den Herrn mit trüben Augen an.
»Warum hast du den Brief nicht gefunden?«
»Wo soll ich ihn finden? Weiß ich denn, was für einen Brief Sie brauchen? Ich kann nicht lesen.«
»Das ist ganz gleich, suche nur«, sagte Oblomow.
»Sie haben gestern abend irgendeinen Brief gelesen«, sprach Sachar, »und dann hab' ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Wo ist er denn«, entgegnete Oblomow ärgerlich. »Ich hab' ihn nicht verschluckt. Ich erinnere mich sehr gut, daß du ihn mir fortgenommen und irgendwohin gelegt hast. Schau einmal nach, wo er ist!«
Er schüttelte die Decke; der Brief fiel aus den Falten auf den Fußboden.
»Sie schieben immer alles auf mich ...«
»Nun, geh nur, geh nur!« Oblomow und Sachar schrien zu gleicher Zeit einander an. Sachar ging, und Oblomow begann den Brief zu lesen, dessen graues Papier mit Kwaß beschrieben zu sein schien und der mit braunem Siegellack versiegelt war.
»Geehrter Herr«, begann Oblomow, »Euer Wohlgeboren, unser Vater und Ernährer, Ilja Iljitsch ...!«
Er übersprang ein paar Begrüßungsworte und Wünsche für sein Wohlergehen und las aus der Mitte weiter:
»Ich berichte Deinem herrschaftlichen Wohlgeboren, daß auf Deinem Gut, Du unser Ernährer, alles in Ordnung ist. Wir haben schon seit fünf Wochen keinen Regen. Der Herrgott zürnt uns wohl, da er uns keinen Regen sendet. Selbst die Alten können sich einer solchen Dürre nicht erinnern. Die Sommersaaten sind wie vom Feuer verbrannt. Die Wintersaaten sind an manchen Stellen von Würmern zernagt, und an manchen Stellen haben frühzeitige Fröste sie zugrunde gerichtet; wir haben sie zu Sommersaaten umgepflügt, wissen aber nicht, ob es geraten wird! Vielleicht wird der barmherzige Gott Deinem herrschaftlichen Wohlgeboren helfen, um uns sorgen wir uns nicht, wir sollen nur krepieren. Und zu Johanni sind noch drei Bauern fort: Laptjew, Balotschow und Wassjka, der Sohn vom Schmied ist allein fort. Ich hab' die Weiber nach den Männern geschickt. Die Weiber sind
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