Oblomow
Schleier, der Kranz, die Liebe, die Liebe! Und wo ist das Geld? Und wie soll man leben? Auch dich muß man kaufen, o Liebe, dich, das reine, natürliche Glück!«
Von diesem Augenblick verließen Oblomow die Träume und die Ruhe. Er schlief schlecht, aß wenig und blickte alles zerstreut und düster an. Er hatte Sachar erschrecken wollen und erschrak mehr als er, nachdem er in die praktische Seite der Frage betreffs der Hochzeit eingedrungen war und gesehen hatte, daß es zwar ein poetischer, aber zugleich auch ein realer, offizieller Schritt in die eigentliche, ernste Wirklichkeit und in die Reihe der strengen Pflichten war. Und er hatte sich ja das Gespräch mit Sachar ganz anders vorgestellt; er erinnerte sich, wie feierlich er das Sachar mitteilen wollte, wie Sachar vor Freude aufschreien und sich ihm zu Füßen werfen sollte; er würde ihm dann fünfundzwanzig und Anissja zehn Rubel geben ...
Er erinnerte sich an alles, an das Beben vor Glück, an Oljgas Hand, an ihren heißen Kuß ... und erstarrte: »Es ist verblaßt und verwelkt!« ertönte es in seinem Innern. »Was sollte nun werden? ...«
Fünftes Kapitel
Oblomow wußte nicht, mit was für einem Gesicht er vor Oljga erscheinen sollte und was sie einander sagen würden, und er beschloß, sie am Mittwoch nicht zu besuchen, sondern am Sonntag zu kommen, wenn viele Leute da waren und es ihnen nicht gelingen konnte, unter vier Augen zu sprechen. Er wollte ihr nicht vom dummen Klatsch erzählen, um sie nicht durch ein unverbesserliches Übel aufzuregen; es war aber schwer, nicht darüber zu reden. Er verstand es nicht, ihr gegenüber zu heucheln; sie würde ihm bestimmt alles entlocken, was er in den Tiefen seiner Seele verbarg.
Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, beruhigte er sich ein wenig und schrieb dem Nachbar, dem er die Vollmacht geschickt hatte, einen zweiten Brief, indem er ihn bat, die Antwort zu beschleunigen und dieselbe möglichst befriedigend zu gestalten. Dann begann er darüber nachzudenken, wie er dieses lange, unerträgliche Übermorgen verbringen sollte, das sonst durch Oljgas Anwesenheit, durch die unsichtbare Zwiesprache ihrer Seelen und durch ihren Gesang ausgefüllt gewesen wäre. Daß es Sachar eingefallen war, ihn zu so ungelegener Zeit aufzuregen! Er beschloß, zu Iwan Gerassimitsch hinzufahren und bei ihm zu essen, um diesen unerträglichen Tag möglichst wenig zu bemerken.
Und bis Sonntag würde er Zeit haben, sich vorzubereiten, und vielleicht würde bis dahin auch eine Antwort vom Gut eintreffen.
Das Übermorgen kam. Er wurde durch das wütende Bellen und Zerren an der Kette des Hundes aufgeweckt. Jemand trat in den Hof und fragte etwas. Der Hausbesorger ließ Sachar kommen; dieser brachte Oblomow einen Brief, der mit der Stadtpost gekommen war.
»Von Fräulein Iljinsky«, sagte Sachar.
»Woher weißt du das?« fragte Oblomow zornig. »Das ist nicht wahr!«
»Auf dem Land hat sie immer solche Briefe geschickt!« bestand Sachar auf seiner Meinung.
Ob es ihr gut geht? Was bedeutet das? dachte Oblomow, den Brief öffnend.
»Ich will nicht bis Mittwoch warten« (schrieb Oljga); »ich langweile mich, wenn ich Sie so selten sehe, und ich erwarte Sie morgen um drei Uhr bestimmt im Sommergarten.«
Das war alles. Seine Seele wurde wieder von Unruhe aufgewühlt; er begann sich vor Aufregung, wie er mit Oljga sprechen und was für ein Gesicht er machen sollte, wieder herumzuwälzen. »Ich weiß nicht, ich kann nicht«, sagte er. »Ich müßte mich bei Stolz darüber erkundigen.«
Doch dann beruhigte er sich bei dem Gedanken, sie würde wahrscheinlich mit der Tante oder mit einer anderen Dame kommen, zum Beispiel mit Marja Sjemjonowna, die sie so liebte und nicht genug bewundern konnte. Er hoffte, in ihrer Anwesenheit seiner Verlegenheit irgendwie Herr zu werden, und bereitete sich vor, gesprächig und liebenswürdig zu sein. Und was sie für eine Zeit festgesetzt hat, gerade um die Mittagsstunde! dachte er, sich ein wenig träge dem Sommergarten nähernd.
Sowie er die lange Allee betreten hatte, sah er, wie sich eine verschleierte Frau von der Bank erhob und ihm entgegenkam. Er hielt sie keineswegs für Oljga. Allein! Das war unmöglich! Sie würde sich dazu nicht entschlossen haben, sie hatte auch keinen Vorwand, von Hause fortzugehen. Aber ... es schien ihr Gang zu sein; ihre Füße bewegten sich so leicht und schnell, als machten sie keine Schritte, sondern als glitten sie hin; es war auch derselbe ein wenig nach
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