Oblomow
deinen Ärger und deine Vorwürfe auf mich zu richten, muß ich dir endlich doch sagen, daß wir zu weit gegangen sind. Es ist meine Pflicht und Schuldigkeit, dir das zu sagen.«
»Was zu sagen?« fragte sie, aus ihrem Sinnen erwachend.
»Daß wir sehr übel daran tun, uns heimlich zu sehen.«
»Das hast du schon auf dem Lande gesagt.«
»Ja, aber ich habe mich dann hinreißen lassen; ich habe mit der einen Hand fortgestoßen, was ich mit der anderen festgehalten habe. Du hast mir vertraut, und ich ... habe dich ... gleichsam ... betrogen ... Damals war das Gefühl noch neu ...«
»Und jetzt ist es nichts Neues mehr, und du beginnst dich zu langweilen ...«
»Aber nein, Oljga! Du bist ungerecht. Es war neu, sage ich, und darum hatten wir keine Zeit und war es unmöglich, vernünftig zu sein. Mich quält mein Gewissen; du bist jung, kennst wenig die Welt und die Menschen, und dabei bist du so rein, liebst so heilig, daß es dir gar nicht einfällt, welch strengem Tadel wir uns beide durch unser Tun aussetzen – am meisten ich.«
»Was tun wir denn?« fragte sie stehenbleibend.
»Wieso, was? Du hintergehst die Tante, gehst heimlich von zu Hause fort, kommst mit einem Manne unter vier Augen zusammen ... Versuche einmal, das alles am Sonntag vor den Gästen zu erzählen ...«
»Warum sollte ich es nicht erzählen?« fragte sie ruhig, »ich werde es vielleicht erzählen.«
»Dann wirst du sehen«, fuhr er fort, »daß deine Tante ohnmächtig wird, daß alle Damen fortstürzen und die Männer dich dreist und herausfordernd anblicken werden ...«
Sie sann nach.
»Aber wir sind doch Braut und Bräutigam!« entgegnete sie.
»Ja, ja, liebe Oljga«, sagte er, ihr beide Hände drückend, »aber um so strenger und vorsichtiger müssen wir bei jedem Schritt sein. Ich will dich stolz in Anwesenheit aller und nicht heimlich durch diese Allee am Arme führen, ich will, daß die Blicke sich vor dir ehrfurchtsvoll senken und sich dir nicht dreist und herausfordernd zuwenden, und daß sich in niemand die freche Vermutung regt, du, die du so stolz bist, hättest Scham und Erziehung vergessen, hättest dich blindlings hinreißen lassen und gegen deine Pflichten verstoßen ...«
»Ich habe weder Scham noch Erziehung noch Pflicht vergessen!« antwortete sie stolz, ihm ihre Hand entreißend.
»Ich weiß, ich weiß, mein unschuldiger Engel, das sage aber nicht ich, das werden die Menschen, das wird die Welt sagen und es dir nie verzeihen. Verstehe, um Gottes willen, was ich will: Ich will, daß du auch in den Augen der Welt ebenso rein und makellos erscheinst, wie du es wirklich bist ...«
Sie ging sinnend weiter.
»Begreife, warum ich dir das alles sage: Du wirst unglücklich sein, und ich allein werde die Verantwortung tragen. Man wird sagen, ich hätte dich verführt, ich hätte vor dir absichtlich den Abgrund verheimlicht. Du bist rein und ruhig; wen wirst du aber davon überzeugen? Wer glaubt dir das?«
»Das ist wahr«, sagte sie zusammenfahrend. »Also höre«, fügte sie entschlossen hinzu, »wollen wir ma tante alles sagen, sie soll uns morgen ihren Segen geben ...« Oblomow erbleichte.
»Was hast du?« fragte sie.
»Warte, Oljga! Wozu diese Eile ...« bemerkte er rasch. Dabei zitterten ihm die Lippen.
»Warst du es nicht, der mich vor zwei Wochen selbst zur Eile getrieben hat?« Sie blickte ihn trocken und aufmerksam an.
»Ich habe damals nicht an die Vorbereitungen gedacht, und es stehen mir so viele bevor!« sagte er seufzend. »Wollen wir wenigstens den Brief vom Gute abwarten.«
»Wozu sollen wir denn den Brief abwarten? Kann denn die eine oder andere Antwort deinen Vorsatz ändern?« fragte sie, ihn noch aufmerksamer anblickend.
»Welch ein Gedanke! Nein, aber wir brauchen das unserer Pläne wegen; man wird der Tante ja sagen müssen, wann die Hochzeit ist. Mit ihr werden wir nicht von der Liebe, sondern von solchen Dingen sprechen, auf die ich jetzt gar nicht vorbereitet bin.«
»Wir werden mit ihr dann davon sprechen, wenn du den Brief bekommst, und unterdessen werden alle wissen, daß wir Braut und Bräutigam sind, und wir werden uns täglich sehen. – Ich langweile mich«, fügte sie hinzu, »mir fallen diese langen Tage zur Last; alle haben die Sache bemerkt, quälen mich und machen neckische Andeutungen in bezug auf dich ... Ich habe das alles satt!«
»Man macht in bezug auf mich Andeutungen?« konnte Oblomow nur mit Mühe aussprechen.
»Ja, dank Sonitschka ...«
»Siehst du, siehst du? Du
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