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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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vorne geneigte Hals und Kopf, als suchte sie mit den Augen immer etwas vor ihren Füßen. Ein anderer hätte nach dem Hut und dem Kleid beurteilen können, wer das war; aber er war imstande, mit Oljga einen ganzen Morgen zu verbringen, ohne dann sagen zu können, was für ein Kleid und einen Hut sie getragen hatte. Im Garten war sonst fast niemand; ein älterer Herr spazierte eilig, wohl aus Gesundheitsrücksichten, herum, und es waren keine Damen, sondern nur zwei Frauen und eine Kinderfrau mit zwei vor Kälte blauen Kindern zu sehen. Die Blätter waren herabgefallen, man sah alles durch, die Krähen auf den Bäumen schrien so unangenehm. Es war übrigens ein schöner, klarer Tag, und wenn man sich ordentlich einwickelte, war es warm. Die verschleierte Frau kam immer näher ... »Sie ist's!« sagte Oblomow und blieb, erschrocken und seinen Augen nicht trauend, stehen.
    »Wieso bist du hier? Was hast du?« fragte er, ihre Hand ergreifend.
    »Wie freue ich mich, daß du gekommen bist«, sagte sie, ohne seine Fragen zu beantworten, »ich habe geglaubt, daß du nicht kommen wirst, und habe mich schon gefürchtet.«
    »Wieso, auf welche Weise bist du hier?« fragte er ganz verwirrt.
    »Laß das! Was geht das dich an? Was sind das für Fragen! Das ist langweilig! Ich wollte dich sehen und bin gekommen. Das ist alles!«
    Sie drückte ihm fest die Hand und blickte ihn froh und sorglos an, indem sie den dem Schicksal geraubten Augenblick so sichtbar und offen genoß, daß er sie sogar beneidete, da er ihre lustige Stimmung nicht teilen konnte. Trotzdem er so besorgt war, vergaß er sich doch für eine Weile, als er ihr Gesicht von jenem Grübeln befreit sah, das ihre Brauen bewegte und die Falte auf ihrer Stirn bildete; jetzt erschien sie ohne diese ihn oft verwirrende, wunderbare Reife der Züge. In diesen Momenten atmete ihr Gesicht ein so kindliches Vertrauen dem Schicksal, dem Glück und ihm selbst gegenüber aus! ... Sie war sehr anmutig.
    »Ach, wie froh, wie froh bin ich!« sagte sie, ihn lächelnd anblickend, »ich glaubte schon, daß ich dich heute nicht mehr sehen würde. Über mich ist gestern plötzlich eine solche Traurigkeit gekommen, ohne daß ich weiß, warum, und da hab' ich dir geschrieben. Bist du froh darüber?«
    Sie blickte ihm ins Gesicht.
    »Warum bist du heute so finster? Du schweigst? Du freust dich nicht? Ich dachte, du würdest vor Freude verrückt werden, und du scheinst statt dessen zu schlafen. Erwachen Sie, mein Herr, Oljga ist bei Ihnen.«
    Sie stieß ihn vorwurfsvoll leise von sich.
    »Ist dir nicht wohl? Was hast du?« ließ sie nicht nach.
    »Nein, ich bin gesund und glücklich«, beeilte er sich zu sagen, damit man seiner Seele das Geheimnis nicht entlockte.
    »Es beunruhigte mich nur, daß du allein ...«
    »Laß das meine Sorge sein«, sagte sie ungeduldig. »Wäre es denn besser, wenn ich mit ma tante gekommen wäre?«
    »Es wäre besser, Oljga ...«
    »Wenn ich das gewußt hätte, würde ich sie darum gebeten haben«, unterbrach ihn Oljga mit gekränkter Stimme, indem sie seine Hand freigab. »Ich dachte, es gäbe für dich kein größeres Glück, als mit mir zusammen zu sein ...«
    »Das gibt es auch nicht und kann es nicht geben! Aber wie kannst du allein ...«
    »Es lohnt sich nicht, lange darüber zu sprechen! Unterhalten wir uns lieber von etwas anderem. Hör mal ... Ach, ich habe etwas sagen wollen und habe es nun vergessen ...«
    »Vielleicht, wie du allein hierher gekommen bist?« begann er, unruhig nach allen Seiten blickend.
    »Ach nein! Du fängst wieder davon an; daß dich das noch nicht langweilt! Was habe ich nur sagen wollen? ... Nun, das bleibt sich gleich, es wird mir später einfallen. Ach, wie schön es hier ist; alle Blätter sind abgefallen. Feuilles d'automne, erinnerst du dich noch an Hugo? Dort ist die Sonne, die Newa ... gehen wir hin und fahren wir Boot ...«
    »Was fällt dir ein? Es ist ja so kalt, und ich habe nur den wattierten Überzieher an ...«
    »Ich bin auch nur in einem wattierten Kleid. Was macht das? Komm, komm!«
    Sie lief und schleppte ihn mit. Er protestierte und brummte. Er mußte aber ins Boot steigen und mit ihr fahren.
    »Wie bist du allein hergekommen?« wiederholte Oblomow ruhig.
    »Soll ich's sagen?« neckte sie ihn schelmisch, als sie auf die Mitte des Flusses hinausgerudert waren, »jetzt kann ich's, du kannst mir hier nicht entfliehen, sonst würdest du es tun ...«
    »Warum denn?« begann er ängstlich.
    »Kommst du morgen zu uns?«

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