Oblomow
falsche Gerüchte zu verbreiten, erfahre also, warum sie falsch sind.«
»Was soll ich denn da erfahren!« sagte Sachar, die Wände betrachtend.
»Du hast vergessen, wieviel sowohl der Bräutigam als auch die Braut herumlaufen und besorgen müssen; und wirst du vielleicht zu den Schneidern, den Schustern und zum Möbelhändler laufen? Ich kann mich doch nicht zerreißen. Und alle in der Stadt werden es erfahren. ›Oblomow heiratet – haben Sie gehört? Ist's möglich? Wen denn? Wer ist sie? Wann ist die Hochzeit?‹« sagte Oblomow, die verschiedenen Stimmen nachahmend. »Man spricht von nichts anderem! Ich werde von Kräften kommen und davon allein bettlägerig werden, und du sprichst von der Hochzeit!«
Er blickte Sachar wieder an.
»Soll ich nicht Anissja rufen?« fragte Sachar.
»Wozu denn Anissja? Du und nicht Anissja hast diese unüberlegte Vermutung ausgesprochen.«
»Wofür straft mich der Herr heute?« flüsterte Sachar und seufzte so auf, daß sich sogar seine Schultern hoben.
»Und was das kostet!« fuhr Oblomow fort, »wo soll ich das Geld hernehmen? Hast du gesehen, wieviel Geld ich habe?« fragte Oblomow fast drohend. »Und wo soll ich eine Wohnung bekommen? Ich muß hier tausend Rubel und für die andere Wohnung dreitausend Rubel zahlen, und was die Einrichtung alles kostet! Dann ein Wagen, ein Koch, die Wirtschaft! Wo soll ich das hernehmen?«
»Wieso heiraten denn andere, die dreihundert Seelen haben?« entgegnete Sachar und bereute es sofort, denn sein Herr wollte vom Sessel aufspringen und nahm schon einen Anlauf dazu.
»Du fängst wieder von den anderen an? Nimm dich in acht!« sagte er, mit dem Finger drohend, »die anderen wohnen in zwei, höchstens in drei Zimmern. Das Speisezimmer und der Salon sind zusammen; manche schlafen sogar dort; die Kinder sind daneben, das ganze Haus wird von einem Mädchen bedient. Die Gnädige selbst geht auf den Markt! Wird denn Oljga Sjergejewna auf den Markt gehen?«
»Auf den Markt könnte ich ja gehen«, bemerkte Sachar.
»Weißt du, wieviel Oblomowka jetzt trägt?« fragte Oblomow. »Hörst du, was der Dorfschulze schreibt? Das Einkommen ist ›um zweitausend geringer‹! Und man muß außerdem eine Straße bauen, Schulen einrichten, nach Oblomowka fahren: Man kann dort nicht wohnen, es ist noch kein Haus da ... Was hast du dir dabei für eine Hochzeit ausgedacht?«
Oblomow schwieg. Dieses furchtbare, trostlose Bild hatte ihn selbst entsetzt. Die Rosen, die Orangenblüten, das glanzvolle Fest, das bewundernde Flüstern der Menge – alles erlosch plötzlich. Er wechselte die Farbe und sann nach. Dann kam er allmählich zur Besinnung, schaute sich um und erblickte Sachar.
»Was willst du?« fragte er düster.
»Sie haben mir ja dazustehen befohlen!«
»Geh!« sagte ihm Oblomow mit einer ungeduldigen Handbewegung. Sachar schritt rasch zur Tür hin.
»Nein, warte!« befahl ihm Oblomow plötzlich.
»Bald soll ich gehen und warten!« brummte Sachar, sich an der Tür festhaltend.
»Wie konntest du es wagen, solche sinnlose Gerüchte über mich zu verbreiten?« fragte Oblomow, erregt flüsternd.
»Wann habe ich es denn getan, Ilja Iljitsch? Nicht ich, sondern die Iljinskyschen Dienstboten haben erzählt, daß unser Herr um das Fräulein angehalten hat ...«
»Pst! ...« zischte Oblomow, drohend die Hand schwenkend, »nie mehr ein Wort davon, hörst du?«
»Ich höre«, antwortete Sachar schüchtern.
»Wirst du diesen Unsinn nicht mehr verbreiten?«
»Nein«, antwortete Sachar leise, ohne auch nur die Hälfte der Worte zu verstehen, von denen er bloß wußte, daß sie »traurig« waren.
»Also, gib acht: Sowie man dich fragt oder sowie du darüber sprechen hörst, sage, daß es ein Unsinn ist, daß so etwas nie sein konnte und sein kann!« fügte Oblomow flüsternd hinzu.
»Zu Befehl«, sagte Sachar kaum hörbar.
Oblomow wandte sich um und drohte ihm mit dem Finger. Sachar blinzelte mit seinen erschrockenen Augen und wollte sich auf den Fußspitzen der Türe nähern.
»Wer hat zuerst davon gesprochen?« fragte Oblomow, ihn einholend.
»Katja hat es Sjemjon gesagt – Sjemjon – Nikita«, flüsterte Sachar, »Nikita – Wassilissa ...«
»Und du hast es allen ausgeplaudert! Wart nur!« zischte Oblomow drohend. »Du verleumdest deinen Herrn! He!«
»Warum quälen Sie mich mit traurigen Worten?« sagte Sachar. »Ich werde Anissja rufen, die weiß alles ...«
»Was weiß sie? Sprich, sprich sofort! ...«
Sachar schritt augenblicklich
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