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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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qualvolles Sinnen versinkend. Nach einer Stunde rief er Sachar. Sachar gab sich den Anschein, nichts zu hören, und wollte sich schon heimlich in die Küche hinausschleichen. Er hatte schon geräuschlos die Tür geöffnet, konnte aber mit der Seite nicht in die eine Türhälfte hineinfinden und schlug mit der Schulter so gegen die zweite an, daß beide Türhälften sich donnernd öffneten.
    »Sachar!« rief Oblomow gebieterisch.
    »Was wünschen Sie?« antwortete Sachar aus dem Vorzimmer.
    »Komm her!«
    »Soll ich auftragen? Sagen Sie nur, dann bringe ich's herein«, antwortete er.
    »Komm her!« sagte Oblomow langsam und beharrlich.
    »Ach, warum nur der Tod nicht kommt!« krächzte Sachar, ins Zimmer tretend.
    »Nun, was wollen Sie?« fragte er, an der Tür stehenbleibend.
    »Komm her!« sagte Oblomow mit feierlicher und geheimnisvoller Stimme, Sachar den Platz anweisend, auf dem er stehen bleiben sollte; doch dieser befand sich so nahe, daß er sich fast auf den Schoß des Herrn hätte setzen müssen.
    »Wo soll ich denn hingehen? Es ist dort eng, ich höre auch von hier aus«, suchte Sachar nach Ausreden und blieb eigensinnig an der Tür stehen.
    »Komm her, sagt man dir!« wiederholte Oblomow drohend.
    Sachar machte einen Schritt und blieb wie ein Monument stehen, indem er durch das Fenster auf die herumirrenden Hühner schaute und dem Herrn den bürstenähnlichen Backenbart zuwandte. Ilja Iljitsch hatte sich in der einen Stunde vor Aufregung verändert, sein Gesicht erschien abgemagert, seine Augen irrten unstet herum. Nun, jetzt wäre es genug! dachte Sachar und wurde immer düsterer.
    »Wie konntest du an deinen Herrn eine so sinnlose Frage richten?« fragte Oblomow.
    Jetzt geht's los! dachte Sachar, in der bangen Erwartung von »traurigen Worten« blinzelnd.
    »Ich frage dich, wie dir ein solcher Unsinn einfallen konnte?« wiederholte Oblomow.
    Sachar schwieg.
    »Hörst du, Sachar? Wieso erlaubst du dir, nicht nur zu denken, sondern sogar zu sprechen? ...«
    »Erlauben Sie, Ilja Iljitsch, ich werde lieber Anissja rufen ...« antwortete Sachar und wollte sich zur Tür wenden.
    »Ich will mit dir und nicht mit Anissja sprechen. Warum denkst du dir solche Dummheiten aus?«
    »Ich habe mir nichts ausgedacht, die Iljinskyschen Dienstboten haben es mir gesagt!«
    »Und wer hat es ihnen gesagt?«
    »Woher soll ich denn das wissen! Katja hat es Sjemjon erzählt, Sjemjon Nikita, Nikita Wassilissa, Wassilissa Anissja und Anissja mir ...«
    »O Gott, o Gott! Alle!« sagte Oblomow entsetzt. »Das ist alles Unsinn, Lüge und Verleumdung – hörst du?« sagte Oblomow, mit der Faust auf den Tisch schlagend. »Das kann nicht sein!«
    »Warum kann denn das nicht sein?« unterbrach Sachar ihn gleichgültig, »eine Hochzeit ist doch etwas Gewöhnliches! Nicht nur Sie allein, alle heiraten ...«
    »Alle!« sagte Oblomow. »Du möchtest mich immer mit anderen, mit allen vergleichen. Das kann nie möglich sein. Eine Hochzeit soll etwas Gewöhnliches sein? Was ist eine Hochzeit?«
    Sachar versuchte es, Oblomow anzublicken, sah aber wütend auf ihn gerichtete Augen und wandte sich nach der Ecke rechtsum.
    »Höre zu, ich werde dir erklären, was das ist. ›Hochzeit, Hochzeit‹, sagen die müßigen Leute, die Frauen und Kinder in den Gesindestuben, in den Geschäften und auf den Märkten. Der Mensch hört auf, Ilja Iljitsch oder Pjotr Petrowitsch zu heißen, und wird ›Bräutigam‹ genannt. Gestern hat ihn niemand auch nur anblicken wollen, und morgen glotzen ihn alle wie einen Hanswurst an. Er hat weder im Theater noch auf der Straße Ruhe. ›Da, da ist der Bräutigam!‹ flüstern alle. Und alle Menschen, die an ihn im Laufe des Tages herankommen, machen ein möglichst dummes Gesicht, so wie du jetzt« (Sachar wandte seinen Blick schnell wieder dem Hofe zu), »und bestreben sich, möglichst dumm zu sprechen«, fuhr Oblomow fort. »So sieht der Anfang aus! Dann muß man jeden Tag wie ein Verdammter des Morgens zur Braut hinfahren, immer strohgelbe Handschuhe und nagelneue Kleider tragen, darf nie gelangweilt ausschauen, darf nie ordentlich essen und trinken, sondern muß nur von der Luft und von Blumen leben! Das geht drei, vier Monate so fort! Siehst du? Wie kann ich denn das?«
    Oblomow schwieg eine Weile und beobachtete, ob diese Darstellung der Unbequemlichkeiten einer Heirat Sachar überzeugt hatte.
    »Kann ich vielleicht jetzt gehen?« fragte Sachar, sich zur Tür wendend.
    »Nein, warte noch! Du verstehst dich darauf,

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