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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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befreien, und versenkte sich wieder in die kleinlichen Sorgen des häuslichen Lebens, verließ ganze Tage lang nicht das Kinderzimmer und erfüllte die Pflichten der Mutter als Kinderfrau, oder sie versenkte sich mit Andrej ins Lesen und in Gespräche über »Ernsthaftes und Langweiliges«; sie lasen auch Dichter und sprachen von einer Reise nach Italien. Sie fürchtete, in etwas der Apathie Oblomows Ähnliches zu versinken. Aber trotz aller ihrer Bemühungen, diese Augenblicke der periodischen Erstarrung und des Schlafes von ihrer Seele abzuschütteln, schlich an sie doch wieder zuerst ein Traum von Glück heran, eine blaue Nacht senkte sich auf sie herab und fesselte sie mit Schlummer; dann begann wieder ein Moment des Sinnens, gleichsam ein Ausruhen vom Leben, und dann ... Verwirrung, Angst, Mattigkeit, eine dumpfe Traurigkeit, und in dem unruhigen Hirn ertönten dunkle, nebelhafte Fragen.
    Oljga lauschte wachsam, prüfte sich, konnte aber nicht erhaschen und herausbekommen, was die Seele manchmal bittet und sucht; sie schien sogar – es war furchtbar, es zu bekennen – voll Bangigkeit zu sein, als ob das glückliche Leben sie nicht befriedigte und sie ermüdete, als forderte sie neue ungewöhnliche Erscheinungen und als eilte sie der Gegenwart voraus ... Was ist das? dachte sie entsetzt, muß man denn und kann man denn noch etwas wünschen? Wohin sollte man sich wenden? Man konnte nirgends hin, es war kein Weg da ... Ist's denn möglich, hast du denn den Kreis des Lebens schon vollendet? War denn das alles ... alles? ... fragte ihre Seele, sprach aber nicht zu Ende ... und Oljga blickte unruhig um sich, ob jemand nicht dieses Flüstern ihrer Seele erfuhr und erlauschte ... Sie befragte den Himmel, das Meer, den Wald ... Doch sie erhielt nirgends eine Antwort. Dort war nichts als die Ferne, die Tiefe und das Dunkel. Die Natur sagte immer ein und dasselbe; sie sah darin ein stetes, aber eintöniges Fortschreiten des Lebens, ohne Anfang und Ende. Sie wußte, wen sie über diese Zweifel zu befragen hatte und wo sie Antwort finden konnte; wie würde diese aber ausfallen? Was, wenn das alles das Murren eines unfruchtbaren Geistes oder noch schlimmer: der Durst eines nicht für die Liebe geschaffenen, unweiblichen Herzens war! Sie, sein Abgott, war ohne Herz, mit einem trockenen, durch nichts zu befriedigenden Verstand! Was würde denn aus ihr werden? Vielleicht ein Blaustrumpf? Wie würde sie in seinen Augen sinken, wenn sich ihm diese neuen, nicht gewohnten, aber ihm doch verständlichen Leiden eröffneten! Sie versteckte sich vor ihm oder schützte Krankheit vor, wenn ihre Augen gegen ihren Willen den samtenen Glanz verloren und so trocken und heiß blickten, wenn auf ihrem Gesichte eine schwere Wolke lastete und sie sich trotz aller Bemühungen nicht dazu zwingen konnte, zu lächeln und zu sprechen, und die wichtigsten Neuigkeiten auf dem Gebiete der Politik, die interessantesten Erklärungen eines neuen Fortschreitens der Wissenschaft, eines neuen Schaffens in der Kunst gleichgültig aufnahm. Sie wollte aber nicht weinen, und es kam über sie ein plötzliches Erbeben, wie zu der Zeit, da ihre Nerven in Aufruhr waren und ihre weiblichen Kräfte erwachten und sich äußerten. Nein, das war etwas anderes! Was ist es denn? fragte sie sich verzweifelt, wenn sie an einem schönen, stillen Abend oder an der Wiege oder sogar während der Liebkosungen und Reden ihres Mannes plötzlich traurig und allem gegenüber gleichgültig wurde ... Sie wurde wie versteinert und schwieg, bewegte sich dann mit geheuchelter Lebhaftigkeit hin und her, um ihr seltsames Leiden zu verbergen, oder schützte Migräne vor und ging schlafen.
    Es fiel ihr aber nicht leicht, Stolz' wachsamen Blick zu täuschen; sie wußte es und bereitete sich innerlich mit derselben Unruhe zur bevorstehenden Auseinandersetzung vor, wie sie sich einst zur Beichte der Vergangenheit vorbereitet hatte. Der Augenblick kam.
    Sie gingen eines Abends in der Pappelallee spazieren. Sie hängte sich fast an seine Schulter und schwieg. Sie quälte sich mit einem ihrer unbegreiflichen Anfälle ab und beantwortete kurz alles, was er sagte.
    »Die Kinderfrau hat gesagt, daß Olenjka in der Nacht gehustet hat. Sollte man morgen nicht den Arzt holen lassen?« fragte er.
    »Ich habe ihr Warmes zu trinken gegeben und werde sie morgen nicht hinauslassen, wir wollen abwarten!« antwortete sie eintönig.
    Sie durchschritten schweigend die Allee.
    »Warum hast du denn den Brief deiner

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