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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Freundin Sonitschka nicht beantwortet?« fragte er. »Und ich habe immer darauf gewartet und wäre fast zu spät auf die Post gekommen. Das ist schon ihr dritter unbeantworteter Brief.«
    »Ja, ich möchte sie möglichst bald vergessen...« sagte sie und schwieg.
    »Ich habe Bitschurin von dir gegrüßt«, begann Andrej wieder; »er ist ja in dich verliebt, es wird ihn vielleicht ein wenig trösten, daß sein Weizen nicht mehr zur rechten Zeit eintrifft.«
    Sie lächelte trocken.
    »Was hast du, willst du schlafen?« fragte er.
    Ihr Herz begann wie jedesmal, wenn diese Fragen an sie gerichtet wurden, zu klopfen.
    »Noch nicht«, sagte sie mit künstlicher Frische, »warum denn?«
    »Bist du unwohl?« fragte er wieder.
    »Nein. Warum glaubst du das?«
    »Dann langweilst du dich!«
    Sie preßte ihm mit beiden Händen fest die Schulter zusammen.
    »Nein, nein!« wies sie seine Vermutungen mit gekünstelt unbefangener Stimme zurück, in welcher aber tatsächlich etwas wie Langeweile ertönte.
    Er führte sie aus der Allee heraus und wandte ihr Gesicht dem Mondlichte zu.
    »Sieh mich an!« sagte er und sah ihr forschend in die Augen.
    »Man könnte meinen, daß du ... unglücklich bist! Du hast heute so seltsame Augen, und nicht nur heute ... Was hast du, Oljga?«
    Er führte sie an der Taille wieder in die Allee.
    »Weißt du, ich ... habe Hunger!« sagte sie und versuchte zu lachen.
    »Lüge nicht, lüge nicht! Ich liebe das nicht!« rief er mit gespielter Strenge aus.
    »Unglücklich!« wiederholte sie vorwurfsvoll, in der Allee stehenbleibend. »Ja, ich bin vielleicht deswegen unglücklich ... weil ich zu glücklich bin!« fügte sie mit einem so weichen, zärtlichen Klang der Stimme hinzu, daß er sie küßte. Sie wurde dreister. Die zwar scherzhafte, leichthin geäußerte Voraussetzung, sie könnte unglücklich sein, spornte sie unerwartet zur Offenherzigkeit an.
    »Ich langweile mich nicht und kann mich nicht langweilen, das weißt du und glaubst natürlich selbst nicht an deine Worte; ich bin nicht krank, sondern ... mir ist ... manchmal traurig zumute ... Da hast du's, du unerträglicher Mensch, wenn man sich vor dir nicht verstecken kann! Ja, traurig, und ich weiß nicht weshalb!« Sie legte ihm den Kopf auf die Schulter.
    »Das ist es also! Warum denn?« fragte er sie leise, sich zu ihr herabbeugend.
    »Ich weiß nicht«, wiederholte sie.
    »Es muß aber doch irgendein Grund vorhanden sein, wenn nicht in mir und in deiner Umgebung, so doch in dir selbst. Manchmal ist eine solche Traurigkeit nichts anderes als der Keim einer Krankheit ... Fühlst du dich nicht gesund?«
    »Ja, vielleicht«, sagte sie ernst, »ist es etwas Ähnliches, wenn ich auch nichts fühle. Du siehst, wie ich esse, spazierengehe, schlafe und arbeite. Plötzlich kommt eine Melancholie über mich ... mir scheint dann ... daß das Leben nicht alles enthält, was es enthalten sollte ... Aber achte nicht darauf; das alles ist ganz belanglos ...«
    »Sprich, sprich!« drang er eifrig in sie, »das Leben enthält also nicht alles; was noch?«
    »Manchmal fürchte ich, daß alles sich ändert oder ein Ende nimmt ... Ich weiß selber nicht! Oder ich quäle mich mit dem dummen Gedanken ab: Was wird noch sein? ... Ist denn das das Glück ... das ganze Leben ...« sprach sie immer leiser, sich dieser Frage schämend, »alle diese Freuden und Leiden ... die Natur? ...« flüsterte sie, »es zieht mich immer noch irgendwohin, nichts befriedigt mich ... Mein Gott! ich schäme mich sogar dieser Dummheiten ... Es ist Phantasterei ... Beachte es nicht und sieh mich nicht an ...« fügte sie mit flehender Stimme hinzu, indem sie sich an ihn schmiegte. »Diese Traurigkeit vergeht bald, und mir wird dann wieder so leicht und froh, wie zum Beispiel jetzt!«
    Sie schmiegte sich schüchtern und zärtlich an ihn, sich tatsächlich schämend und ihn gleichsam darum bittend, ihr die »Dummheiten« zu verzeihen.
    Andrej befragte sie noch lange, und sie teilte ihm noch lange, wie eine Kranke dem Arzt, die Symptome der Traurigkeit und alle dumpf in ihr aufsteigenden Fragen mit, stellte ihm die Unruhe ihrer Seele und das Verschwinden dieser Halluzination dar, alles, was sie bemerkt hatte und was ihr einfiel.
    Stolz schritt wieder schweigend durch die Allee, indem er den Kopf auf die Brust senkte und sich mit seinem ganzen Denken voll Unruhe und Staunen in das unklare Geständnis seiner Frau vertiefte.
    Sie schaute ihm in die Augen, sah aber nichts, und als sie das Ende

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