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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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anderen. Sie standen zwar nicht beim Morgengrauen, aber doch früh auf; sie liebten es, lange beim Tee zu sitzen, manchmal schwiegen sie sogar träge, gingen dann jeder in sein Zimmer oder arbeiteten zusammen, aßen zu Mittag, fuhren ins Feld, beschäftigten sich mit Musik ... wie alle, wie auch Oblomow es geträumt hatte. Nur fehlte ihnen die Schläfrigkeit und die Trägheit; sie verbrachten ihre Tage ohne Langeweile und Apathie, ihre Blicke und Worte waren nicht leblos, ihre Gespräche nahmen kein Ende und waren oft leidenschaftlich. Ihre hellen Stimmen tönten durch die Zimmer, drangen in den Garten, oder sie teilten sich leise die durch die Sprache nicht wiederzugebende erste Regung, das Wachstum des keimenden Gedankens, das kaum hörbare Flüstern der Seele mit, als zeichneten sie einander die Linien ihres Traumes vor ... Und ihr Schweigen war manchmal immenses Glück, von dem Oblomow zu träumen pflegte, oder geistiges Verarbeiten des endlosen, einander zugewiesenen Materiales ... Oft versenkten sie sich in stummes Bewundern der ewig neuen, strahlenden Schönheit der Natur. Ihre empfänglichen Seelen konnten sich an diese Schönheit nicht gewöhnen. Die Erde, der Himmel und das Meer – alles weckte ihr Gefühl, und sie saßen schweigend nebeneinander, blickten mit denselben Augen und mit derselben Seele diesen schöpferischen Glanz an und verstanden einander ohne Worte. Sie nahmen den Morgen nicht gleichgültig hin und vermochten es nicht, sich stumpf in das Dunkel der warmen, sternenklaren südlichen Nacht zu versenken. Sie wurden durch das ewige Arbeiten des Gedankens, die stets wache Seele und das Bedürfnis, zusammen zu denken, zu fühlen und zu sprechen, geweckt! ...
    Was war aber der Gegenstand dieser eifrigen Debatten, der stillen Gespräche, des Lesens und der weiten Spaziergänge? Alles. Stolz hatte schon im Ausland die Gewohnheit verloren, allein zu lesen und zu arbeiten. Hier, wo er mit Oljga unter vier Augen war, dachte er auch mit ihr zusammen. Er brachte es mit Mühe zustande, der rastlosen Eile ihres Denkens und Wollens zu folgen. Die Frage, wie er sich im Familienleben betätigen würde, tauchte nicht mehr auf und hatte sich selbst gelöst. Er mußte sie sogar in seine geschäftliche Tätigkeit einweihen; denn sie erstickte in einem Leben ohne Bewegung, als mangelte es ihr an Luft. Kein Bau, keine Angelegenheit, die Oblomows oder sein Gut betraf – nichts geschah ohne ihr Wissen und ihre Teilnahme. Kein einziger Brief wurde fortgeschickt, ohne daß sie ihn las; kein einziger Gedanke und noch weniger dessen Realisierung glitt an ihr vorüber: sie wußte alles, und alles interessierte sie, weil es ihn interessierte. Zuerst tat er es, weil es unmöglich war, vor ihr etwas zu verheimlichen. Wenn ein Brief geschrieben wurde, wenn mit irgendeinem Verwalter oder Unternehmer gesprochen wurde, geschah es vor ihr, vor ihren Augen; dann setzte er es aus Gewohnheit fort, und zuletzt verwandelte es sich auch für ihn in eine Notwendigkeit. Ihre Bemerkungen, ihr Ratschlag, ihr Lob oder ihr Tadel wurden für ihn zum unumgänglichen Prüfstein; er sah, daß sie ebensogut wie er begriff und nicht schlechter als er überlegte und kombinierte ... Sachar war wie viele andere über die Fähigkeit seiner Frau ärgerlich, und Stolz war darüber glücklich! Und dann Lesen und Lernen, das ewige Nähren des Denkens und dessen endlose Entwicklung! Oljga war auf jedes Buch und jeden Journalartikel, den man ihr nicht gezeigt hatte, eifersüchtig; sie war ernsthaft böse und gekränkt, wenn er es nicht für gut hielt, ihr etwas seiner Meinung nach zu Schwieriges, Langweiliges, ihr Unverständliches zu zeigen, nannte das Pedanterie, Abgeschmacktheit, Verzopftheit und nannte ihn eine »alte deutsche Perücke«. Zwischen ihnen spielten sich aus diesem Anlasse lebhafte, gereizte Szenen ab. Sie zürnte, und er lachte, sie zürnte noch mehr und ließ sich nur dann beschwichtigen, wenn er zu scherzen aufhörte und mit ihr seine Gedanken, seine Kenntnisse oder seine Lektüre teilte. Zum Schlusse ergab es sich, daß alles, was er wissen und lesen wollte und wußte, auch für sie zum Bedürfnis geworden war. Er drängte ihr keine Technik der Gelehrsamkeit auf, um dann mit der dümmsten Prahlerei auf seine »gelehrte« Frau stolz zu sein. Wenn ihr im Gespräch ein einziges Wort oder sogar eine Andeutung auf solche Ansprüche entschlüpft wäre, wäre er noch mehr errötet, als wenn sie mit einem stumpfen Blick der Unwissenheit eine

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