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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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ohne daran zu denken, ein lebhaftes Verständnis für die Erscheinungen und eine richtige Ansicht über dieselben, um dann Oljga und seinen nachlässigen Unterricht zu vergessen. Und als er manchmal sah, daß in ihr nicht ganz gewöhnliche Gedanken und Meinungen auftauchten, daß in ihr keine Lüge war, daß sie keine allgemeine Anbetung suchte, daß ihr die Gefühle einfach und frei kamen und sie ebenso verließen, daß nichts Fremdes, sondern Eigenes in ihr lebte und dieses Eigene so kühn, frisch und verläßlich wurde, war er verblüfft, wo sie das hernahm, und erkannte seine eigenen Lehren und flüchtigen Bemerkungen nicht wieder. Wenn er seine Aufmerksamkeit damals auf sie gerichtet hätte, hätte er begriffen, daß sie fast allein ihren Weg ging, durch die flüchtige Aufsicht der Tante vor Übertreibungen geschützt, daß über ihr aber nicht die Vormundschaft und Autorität von sieben Kinderfrauen, von Großmüttern und Tanten mit den Traditionen des Geschlechtes, der Familie, der Gesellschaftsklassen, der veralteten Sitten, Gebräuche und Sentenzen lastete; daß man sie nicht gewaltsam über einen schablonenhaften Weg führte, daß sie einen neuen Pfad verfolgte, den sie sich durch den eigenen Verstand, Blick und durch das eigene Gefühl gefunden hatte. Die Natur hatte ihr nichts versagt; die Tante herrschte nicht despotisch über ihren Willen und Verstand, und Oljga begriff und erriet vieles selbst, beobachtete aufmerksam das Leben und lauschte ... unter anderem auch den Reden und Ratschlägen ihres Freundes ... Er zog das alles nicht in Betracht und erwartete von ihr nur in Zukunft vieles, aber in weiter Ferne, ohne in ihr jemals seine Gefährtin zu ahnen.
    Sie ließ sich aus eitler Schüchternheit lange nicht erraten, und er sah erst nach dem qualvollen Kampfe im Auslande voll Erstaunen, zu welch einem einfachen, kraftvollen und natürlichen Wesen dieses vielversprechende und von ihm vergessene Kind sich entwickelt hatte. Dort eröffnete sich vor ihm nach und nach die Tiefe ihrer Seele, die er stets füllen mußte und nie befriedigen konnte.
    Zuerst hatte er mit der Lebhaftigkeit ihrer Natur viel zu kämpfen, mußte das Fieber ihrer Jugend unterbrechen, ihren Bestrebungen einen bestimmten Umfang verleihen und ihrem Leben einen ruhigen Verlauf sichern, doch das gelang ihm nur zeitweise; sowie er vertrauend die Augen schloß, begann wieder der Sturm, das Leben strömte wie eine Quelle dahin, und es ertönten neue Fragen des unruhigen Verstandes und des aufgeregten Herzens; er mußte die gereizte Phantasie beruhigen und den Ehrgeiz beschwichtigen oder aufstacheln. Sowie sie über eine Erscheinung zu grübeln begann, beeilte er sich, ihr den Schlüssel dazu einzuhändigen.
    Der Glaube an Zufälle, der Nebel und die Halluzinationen verschwanden aus ihrem Leben. Vor ihr breitete sich eine helle und freie Ferne aus, und sie sah darin wie im klaren Wasser jeden Stein, jede Vertiefung und dann den reinen Grund. »Ich bin glücklich!« flüsterte sie, ihr vergangenes Leben mit einem Blick umfassend, dachte, indem sie die Zukunft befragte, an ihren Mädchentraum vom Glück, den sie einst in jener stillen, blauen Nacht in der Schweiz geträumt hatte, und sah, daß dieser Traum wie ein Schatten durch ihr Leben schwebte. Wofür ist mir das alles zuteil geworden, mir? dachte sie demütig. Sie sann und sann und fürchtete sogar manchmal, dieses Glück könnte versagen.
    Die Jahre eilten dahin, und sie wurden nicht müde zu leben. Über sie war eine Stille gekommen, das Drängen hatte sie beschwichtigt. Die Krümmungen des Lebens erschienen verständlich und wurden geduldig und froh ertragen, das Leben pulsierte in ihnen aber unermüdlich weiter.
    Oljga war schon bis zu einem strengen Verständnis des Lebens, wenn auch nur des glücklichen Lebens gelangt; Andrejs Sein und das ihrige hatten sich zu einem einzigen Strom vereinigt; es blieb für die wilden Leidenschaften kein Spielraum übrig; alles bei ihnen war Harmonie und Stille. Es schien, man sollte in dieser wohlverdienten Ruhe einschlafen und selig sein, wie die Bewohner anderer stiller Winkel es tun, indem sie dreimal täglich zusammenkommen, bei der gewohnten Unterhaltung gähnen, in stumpfes Hindämmern versinken und sich von früh bis spät damit quälen, daß alles schon durchdacht, besprochen und getan ist, daß man nichts mehr zu tun und zu besprechen hat und daß »das Leben auf der Welt nun einmal so ist«.
    Äußerlich geschah bei ihnen alles so wie bei den

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