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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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im Gebiete der Wissenschaft gewöhnliche, für die bestehende Frauenbildung aber noch unzulängliche Frage beantwortet hätte. Er wollte nur nicht – und sie um so mehr –, daß es nicht so sehr für ihr Wissen, als für ihr Verständnis etwas Unerreichbares geben sollte. Er zeichnete ihr keine Tafeln und Zahlen vor, sprach aber über alles und las vieles, ohne pedantisch irgendeiner sozialen Theorie oder volkswirtschaftlichen oder philosophischen Frage auszuweichen; er sprach mit Eifer und Leidenschaft. Er schien vor ihr ein endloses, lebendiges Bild des Wissens zu entrollen; später entfielen die Einzelheiten ihrem Gedächtnisse, doch das Bild entschwand niemals ihrem empfänglichen Geist, die Farben verblaßten nicht, und das Feuer, mit dem er den für sie erschaffenen Kosmos erhellte, erlosch nicht. Er zitterte vor Stolz und Glück, wenn er bemerkte, wie ein Funken dieses Feuers dann in ihren Augen leuchtete, wie ein Widerhall des ihr mitgeteilten Gedankens in ihren Worten erklang, wie dieser Gedanke in ihr Bewußtsein und Verständnis übergegangen war, sich in ihrem Geist verarbeitet hatte und sich nicht trocken und streng, sondern, mit dem Glanze der weiblichen Grazie versehen, in ihren Worten äußerte, besonders aber, wenn irgendein furchtbarer Tropfen alles dessen, was gesprochen, gelesen und dargestellt wurde, sich gleich einer Perle auf den klaren Grund ihres Lebens senkte. Er webte ihr als Denker und Künstler ein vernünftiges Dasein, und noch nie im Leben, weder zur Zeit der Studien noch in den mühseligen Tagen, als er mit dem Leben kämpfte, sich aus dessen Krümmungen herausarbeitete und seine Kraft in diesen Versuchen prüfte und abhärtete, war er so ganz in Anspruch genommen, als jetzt, da er diese rastlose, vulkanische Arbeit des Geistes seiner Gefährtin zu lenken hatte.
    Wie glücklich ich bin! sagte Stolz im stillen und träumte auf seine Weise, indem er in die Zukunft blickte, die den Flitterwochen ihrer Ehe folgen würde. In der Ferne lächelte ihm Oljga in einer neuen Gestalt zu, nicht als Egoistin, als leidenschaftlich liebende Gattin, als Mutter und Kinderfrau, die mit der Zeit in einem farblosen, nutzlosen Dasein verblüht, sondern als etwas anderes, Höheres, fast noch nicht Dagewesenes ... Er träumte von einer schaffenden Mutter, die am geistigen und öffentlichen Leben einer ganzen, glücklichen Generation teilnahm ... Er dachte ängstlich darüber nach, ob ihre Kraft und ihr Willen ausreichen würden, und half ihr, eilig mit dem Leben fertig zu werden und sich für diesen Kampf den nötigen Mut auszuarbeiten, gerade jetzt, solange sie beide noch jung und stark waren, solange das Leben sie schonte oder seine Schläge nicht schwer erschienen, solange der Schmerz noch von der Liebe weggeschwemmt wurde. Ihre Tage verdüsterten sich nicht für lange. Das Mißlingen der Geschäfte, der Verlust einer bedeutenden Geldsumme, das alles berührte sie kaum. Es verursachte ihnen viel Arbeit und Reisen und wurde dann bald vergessen.
    Der Tod der Tante rief Oljgas bittere, aufrichtige Tränen hervor und warf ein halbes Jahr lang einen Schatten auf ihr Leben. Die größten Befürchtungen und ewige Sorge wurden durch die Krankheiten der Kinder hervorgerufen; doch sowie die Furcht wich, kehrte das Glück zurück. Andrej wurde am meisten durch Oljgas Gesundheitszustand beunruhigt; sie brauchte lange Zeit, um sich nach der Entbindung zu erholen, und trotzdem sie wiederhergestellt war, hörte er nicht auf, sich um sie zu sorgen; er konnte sich keinen größeren Schmerz denken.
    Wie glücklich bin ich! sagte auch Oljga still, ihr Leben betrachtend, und versank manchmal in den Momenten dieser Betrachtung in Sinnen ... besonders nach einiger Zeit, drei, vier Jahre nach ihrer Verheiratung.
    Der Mensch ist seltsam! Je voller ihr Glück sich gestaltete, desto nachdenklicher und sogar ... ängstlicher wurde sie. Sie begann sich streng zu beobachten und bemerkte, daß diese Stille des Lebens, das Verweilen auf den Augenblicken des Glückes sie verwirrte. Sie schüttelte diese Nachdenklichkeit gewaltsam von ihrer Seele ab und beschleunigte das Tempo ihres Lebens, suchte fieberhaft nach Lärm, Trubel und Beschäftigung, bat den Mann, sie in die Stadt mitzunehmen, versuchte es, sich in der Gesellschaft unter den Menschen umzuschauen; aber es dauerte nicht lange. Das Leben der Gesellschaft berührte sie nur oberflächlich, sie eilte in ihren Winkel, um sich von irgendeinem drückenden, ungewohnten Eindruck zu

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