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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Haar, verstecken konnte. »Schauen Sie einmal, was der Dorfschulze mir schreibt ... Wo ist der Brief? Wo habe ich ihn hingelegt? Sachar!«
    »Gut, gut«, sagte der Doktor, »das geht mich nichts an; meine Pflicht ist, Ihnen zu sagen, daß Sie die Lebensweise, den Ort, die Luft, die Beschäftigung, alles, alles verändern müssen.«
    »Gut, ich werde es mir überlegen«, sagte Oblomow. »Wohin soll ich denn fahren, und was soll ich tun?«
    »Fahren Sie nach Kissingen«, begann der Doktor, »verleben Sie dort den Juni und Juli. Trinken Sie den dortigen Brunnen. Dann begeben Sie sich in die Schweiz oder nach Tirol und machen eine Traubenkur durch. Dort verbringen Sie den September und Oktober ...«
    »Zum Teufel auch, nach Tirol!« flüsterte Ilja Iljitsch kaum hörbar.
    »Dann irgendwohin, in eine trockene Gegend, vielleicht nach Ägypten ...«
    »Das auch noch!« flüsterte Oblomow.
    »Beseitigen Sie die Sorgen und Unannehmlichkeiten ...«
    »Sie haben gut reden«, bemerkte Oblomow, »Sie bekommen keine solchen Briefe vom Dorfschulzen ...«
    »Sie müssen auch die Gedanken verscheuchen«, fuhr der Doktor fort.
    »Die Gedanken?«
    »Ja, geistige Anstrengung.«
    »Und der Plan der Gutseinrichtung? Ich bitte Sie, bin ich denn ein Holzklotz ...«
    »Wie Sie wollen. Es ist meine Pflicht, Sie zu warnen. Sie müssen auch den Leidenschaften aus dem Wege gehen, sie sind der Kur hinderlich. Sie müssen sich bestreben, sich durch Reiten, Tanzen, durch mäßige Bewegung in der frischen Luft und durch angenehme Gespräche, besonders mit Damen, zu zerstreuen, damit das Herz nur von angenehmen Empfindungen und nicht zu stark zum Klopfen gebracht wird.«
    Oblomow lauschte ihm mit gesenktem Kopfe.
    »Dann?« fragte er.
    »Dann vermeiden Sie es vor allem, zu lesen und zu schreiben! Mieten Sie eine Villa, deren Fenster nach dem Süden gerichtet sind, schaffen Sie sich viel Blumen an und bestreben Sie sich, Musik und Frauen in der Nähe zu haben ...«
    »Und wie soll die Nahrung sein?«
    »Meiden Sie das Fleisch und überhaupt jede tierische Nahrung, auch die mehligen und salzigen Speisen. Sie können eine leichte Bouillon und Gemüse essen; nehmen Sie sich aber in acht, jetzt droht fast überall die Cholera, so daß man vorsichtig sein muß ... Sie können acht Stunden täglich gehen. Kaufen Sie sich ein Gewehr ...«
    »O Gott!« stöhnte Oblomow.
    »Endlich«, schloß der Doktor, »reisen Sie für den Winter nach Paris und zerstreuen Sie sich dort ohne Bedenken im Wirbel des Lebens. Fahren Sie vom Theater zum Ball, in die Maskerade, aufs Land, auf Besuch, damit um Sie herum Freude, Lärm, Lachen sind ...«
    »Brauche ich vielleicht noch etwas?« fragte Oblomow mit schlecht zurückgehaltenem Ärger.
    Der Doktor sann nach.
    »Vielleicht sollten Sie noch Meerluft einatmen. Schiffen Sie sich in England ein und fahren Sie bis nach Amerika ...«
    Er erhob sich und verabschiedete sich.
    »Gut, gut, ich befolge es sicher«, antwortete Oblomow sarkastisch, ihn hinausbegleitend.
    Der Doktor ließ Oblomow in einem jammervollen Zustande zurück. Er schloß die Augen, legte beide Hände auf den Kopf, kauerte sich auf dem Sessel zu einem Knäuel zusammen und blieb so sitzen, ohne irgendwo hinzublicken und ohne etwas zu fühlen.
    Hinter ihm ertönte der schüchterne Ruf:
    »Ilja Iljitsch! Was soll ich denn dem Verwalter sagen?«
    »Was denn?«
    »Wegen des Ausziehens!«
    »Du fängst wieder davon an?« fragte Oblomow erstaunt.
    »Was soll ich denn tun, Väterchen Ilja Iljitsch? Sagen Sie selbst, mein Leben ist auch so nicht süß, ich schaue schon ins Grab ...«
    »Nein, es scheint, daß du mit deinem Umzug mich ins Grab jagen willst«, sagte Oblomow. »Hör einmal, was der Doktor sagt!«
    Sachar fand nichts zu erwidern, er seufzte nur so auf, daß die Zipfel seines Halstuches auf seiner Brust erbebten.
    »Du hast beschlossen, mich umzubringen?« fragte Oblomow wieder, »du bist meiner überdrüssig, ja? Nun, so sprich doch!«
    »Aber Gott sei mit Ihnen! Leben Sie, solange Sie wollen! Wer wünscht Ihnen Böses?« brummte Sachar, durch die tragische Wendung, die das Gespräch annahm, ganz verlegen gemacht.
    »Du!« sagte Ilja Iljitsch, »ich habe dir verboten, auch nur ein Wort vom Umzug zu sagen, und du läßt keinen Tag vorübergehen, ohne mich fünfmal daran zu erinnern. Das verstimmt mich doch, begreife das doch. Meine Gesundheit taugt auch so nicht viel.«
    »Ich hab' mir gedacht, Herr ... ich hab' gedacht, warum wir denn eigentlich nicht

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