Obsession (German Edition)
Hyäne auf drei Beinen. Ja, ich bin ziemlich sicher, dass sie nur drei Beine hat! Sie steht dort in einigem Abstand zu uns, beobachtet uns und schüttelt langsam den Kopf. Sie scheint dabei traurig zu sein, stelle ich fest – während sie wieder verschwindet. Das alles geht so rasch, dass ich nicht einmal die Gelegenheit habe, Shahin darauf aufmerksam zu machen. Erst jetzt wendet er seinen Kopf, sieht den leeren Raum hinter sich, dann in mein erschrockenes Gesicht.
»Was ist ...?«, formen seine Lippen, doch ich schüttele nur den Kopf. Das muss ich erst einmal selbst verdauen.
»Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«, fragt Lars in diesem Moment und deutet auf Fabrice.
Shahin nickt, und Sven alarmiert über Handy seine Kollegen und den Rettungsdienst. Na, wenn das nicht wieder einmal ein prima Ausklang eines Tages ist, denke ich ironisch. Aber so langsam gewöhnt man sich wohl an solche Katastrophen ...
73
Shahin
Fabrice bleibt über Nacht im Krankenhaus, haben wir vereinbart. Zur Beobachtung. Zum Glück ist seine Verletzung nur oberflächlich, aber er hat einen Schock, der sich gewaschen hat. Kein Wunder, der Typ hatte ja auch wirklich vor, ihn umzubringen!
Ich habe René überredet, wieder mit zu uns zu kommen. Lars und Sven sind bei Fabrice im Krankenhaus geblieben, und René sitzt wie paralysiert auf unserer Couch, nur in eine Decke gehüllt. Nur, mehr kann ich im Moment auch nicht machen. Es war nämlich verdammt knapp – und das wissen wir alle. Außerdem frage ich mich, wie oft wir noch einen Haufen Polizisten in unserem Laden haben werden – nicht, dass das langsam zur Gewohnheit und das »Addiction« zum Treffpunkt aller Uniformfreunde wird –, als Brix mich fürsorglich von hinten umarmt. Ich lehne mich gegen ihn, bin total erschöpft.
»Lass uns schlafen gehen, Hase«, sagt er leise.
Ich bringe tatsächlich ein Lächeln zustande, auch wenn ich nicht mehr daran geglaubt hätte. Es ist schon fast wieder Morgen.
»Meinst du, sie machen uns den Laden wieder dicht?«, flüstert Brix fast unhörbar.
»Weil der Typ sich umgebracht hat?«, vergewissere ich mich. Brix nickt.
»Ich weiß nicht, aber ich glaube nicht. – Eigentlich könnten sie uns ja dankbar sein, dass der Kerl tot ist.« – »Du meinst, er hat auch die anderen Stricher auf dem Gewissen?«
Ich nicke langsam. Eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher.
Aber ich muss herausfinden, was er mit den »Kindern der Isis« zu tun hat, denn das hatte er in jedem Fall, sonst hätte er ja wohl kaum Carlos am Flughafen abgeholt. Und deswegen ist es sehr wichtig für mich, zu wissen, in wessen Auftrag er gehandelt hat, welche Position er innehatte. Das alles sage ich Brix natürlich noch nicht, denn ich weiß, dass er ausflippen würde, wenn ich ihn in diesem Moment damit belasten würde. Aber in meinem Kopf manifestiert sich ein Gedanke ... wenn ich etwas herauskriegen will, dann muss ich Carlos anrufen, muss also wieder Kontakt zu ihm aufnehmen. Ist das verrückt? Vielleicht mache ich ihn gerade dadurch auf uns aufmerksam?! – Und eigentlich bin ich auch viel zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Ohne großen Widerstand lasse ich mich von Brix in Richtung Bett schieben.
»Shahin ... ich muss dir noch etwas erzählen ...«
Brix’ nachdenklicher Tonfall lässt mich stutzen. Erstaunt sehe ich ihn an. Und dann erzählt er mir, was er gesehen hat, als wir anderen uns um Fabrice gekümmert haben: von einer dreibeinigen Hyäne, die plötzlich hinter uns stand – eine Hyäne? Ich erschaudere leicht.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragt Brix. Ich zucke nur mit den Schultern und fühle mich mit einem Mal uralt. Brix sieht mir offensichtlich an, wie erschöpft ich bin.
»Komm, lass uns schlafen, mein Herz«, sagt er ganz sanft. »Morgen können wir auch noch darüber reden ...« Er legt sich zu mir, nimmt mich in den Arm, und ich kuschele mich ganz dicht an ihn, Wärme suchend. ›Brix, der Starke‹, denke ich noch beim Einschlafen. Es ist schön, sich so geborgen zu fühlen.
Am nächsten Morgen, also eigentlich nur ein paar Stunden später, stehen Lars und Sven – wie abgesprochen – wieder vor unserer Tür. Ich fühle mich noch immer wie gerädert, aber auf der anderen Seite gibt es eine ganze Menge zu besprechen.
Offenbar waren die Zwei die ganze Zeit auf den Beinen, denn zumindest Lars sieht alles andere als frisch aus. Sven ist da professioneller, er lässt sich seine Müdigkeit kaum anmerken. Ungefragt braut Brix
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