Obsession (German Edition)
Telefonieren so schwer macht. Wer weiß denn so genau, was mich erwartet?
Mir ist klar, dass wir nur so eine reelle Chance haben, herauszufinden, was hier eigentlich abläuft, aber die Gefahr, in die ich mich gerade begebe, ist mir ebenso klar. Was, wenn ich ihn erst jetzt auf unsere Fährte locke? Wenn dieser Anruf ein Fehler ist, den ich nicht mehr rückgängig machen kann?!
Ich schließe für einen Moment die Augen und überlege noch einmal, welche Rolle Fabrice in der ganzen Geschichte haben könnte. War er nur ein zufällig ausgewähltes Opfer dieses Verrückten, der sich gestern selbst das Leben genommen hat? Dann hätte Carlos in der Tat überhaupt nichts damit zu tun. Aber würde er denn – wenn er etwas mit den Morden zu tun hätte – überhaupt eine Verwicklung in die ganzen Vorfälle gestehen??? Ich möchte mich nicht noch einmal in die Seele dieses Mannes versenken müssen! Das eine Mal hat mir voll und ganz gereicht! Allein bei dem Gedanken daran läuft mir ein eisig kalter Schauder den Rücken hinunter. Dieser Mann ist nicht gefährlich, er ist tödlich. Trotzdem muss ich ihn anrufen.
Ich wähle seine Nummer, schalte auf Lautsprecher um, und mir bleibt gerade noch eine Millisekunde Zeit zu hoffen, dass er nicht rangeht und höre dann schon seine Stimme: »Ja?«
Und noch bevor ich irgendetwas sagen kann, lacht Carlos leiste. »Shahin ... das ist aber eine Überraschung ...« Er betont das letzte Wort so, dass ich nicht wirklich daran glauben kann, dass er überrascht ist. Ich spüre, wie ich innerlich kalt werde. Ich fühle mich, als wenn er mit seinen Fingern und Händen in mir wäre, mich abtasten würde, allerdings auf einer spirituellen Ebene. Mir wird schlecht, stelle ich fest. Dennoch halte ich ganz still, versuche aber instinktiv, mich zu verschließen. Er soll nicht gleich alles von mir erfahren.
»Carlos«, beginne ich, mir eine Begrüßung ersparend. »Du weißt sicher, warum ich anrufe?!«
Er tut unwissend. »Nein, wie kommst du denn darauf, mein Freund?« – »Gestern hat sich einer von ... deinen Leuten in unserer Gegenwart umgebracht! Ich möchte gerne wissen, was das zu bedeuten hat. Was spielst du für ein Spiel?«, frage ich ihn ohne Umschweife.
»Meine Leute?«, wiederholt er ungläubig und lacht boshaft.
»Das brauchst du nicht abzustreiten«, sage ich betont gelassen. »Dass der Typ etwas mit den »Kindern der Isis« zu tun hatte, wissen wir bereits. Aber ich möchte gern wissen, was du damit zu tun hast ... und ob meine Freunde weiterhin in Gefahr sind?! Du bist doch nicht zufällig in Frankfurt ...«
»Ach, Shahin«, versucht Carlos, mich in seinem gefälligen Plauderton, den ich von früher so gut kenne, einzuwickeln. »Du weißt doch, wie es sich verhält. Ich warte ja noch immer darauf, mit dir zusammenzuarbeiten! Was ich will, bist du an meiner Seite, und Brix ... nun ja ...«
Ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Brix bei der bloßen Erwähnung seines Namens zusammenzuckt.
»Deine Freunde interessieren mich nicht. Ich will Brix ... ich brauche ihn.« Etwas an Carlos’ Stimme verändert sich. »Ich brauche sein Blut!«
Ich schlucke. »Warum dann all diese Morde an den Strichern?«
Carlos scheint zu grinsen. »Damit habe ich nichts zu tun«, erklärt er kalt. Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. »Sicher, dabei ging es auch um ein Ritual, doch nicht um eines, das ich geplant habe. Dafür nämlich brauche ich Brix’ Hilfe .« Er lacht düster. »Und deine, versteht sich.«
»Du machst mir Angst«, flüstere ich angespannt. Von dem Verhältnis, das wir einmal hatten, auch wenn es wohl doch nur geschäftlich war, ist nichts mehr übrig geblieben. Carlos hat nichts Menschliches mehr an sich, wie ich feststellen muss.
»Du solltest Angst vor mir haben, Shahin«, erklärt Carlos. »Denn ich bekomme Brix so oder so. Für dich und deine Zukunft wäre es allerdings besser, wenn du mir behilflich wärst. Ich bekomme ihn, denn ich brauche sein Blut. Und du bist viel zu schwach, um ihn zu beschützen! Und wenn du dich mir anschließen würdest, würdest zumindest DU überleben.« Er lacht wieder, und ich bekomme eine Gänsehaut. »Ich gebe dir noch etwas Bedenkzeit, aber ich glaube nicht, dass ihr euch wieder verstecken könnt. Früher oder später finde ich euch wieder ...«
Aha. Er hat also tatsächlich nach uns gesucht. Das erklärt sein plötzliches Auftauchen in Frankfurt ...
»Du hörst von mir«, sagt er jetzt hämisch und unterbricht die Verbindung, legt
Weitere Kostenlose Bücher