Occupy Economics
verschoben, da ist der Markt nur noch ein ganz reduziertes funktionales Etwas, in Tausenden von Ausprägungen auf die Welt verstreut, aber kein Rezept, mit dem Länder regiert oder Regierungen gesteuert werden können, kein Dogma mehr, kein Allheilmittel. Da ist das Kapital nicht mehr der abstrakte, theoretische Begriff, sondern etwas Substanzielles, das so viele Erscheinungsformen hat – Maschinen, Ideen, Landschaften, Wissen, Grundstücke, Geldguthaben et cetera –, dass davon auch kaum mehr die einzelne Ausprägung als gewichtig übrig bleibt. Und am Ende ist geklärt, dass öffentliche und private Organisationen und Betriebe und öffentliche und private Haushalte die großen und kleinen Einheiten sind, aus denen sich eine Volkswirtschaft zusammensetzt, und die über Märkte arbeitsteilig Waren und Leistungen austauschen. Dann haben Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre eine klar definierte Schnittstelle, und das widerspruchsfrei. Die richtige, die detaillierte Beschreibung der Realität offenbart dann die Lösung von selbst.
8 Die Zeit, Nr. 17, 19. April 2012, S. 23.
9 Handelsblatt , Nr. 74, 16. April 2012, S. 21.
10 Eine Gruppierung innerhalb der FDP, die sich um eine konzeptionelle, klare Neuorientierung bemüht. Prominentestes Mitglied: Frank Schäffler MdB.
11 Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. 1887, letzte Auflage 2005.
12 Adam Smith, a.a.O. S. 376.
3. Der Markt (occupy market economy)
3.1 Marktgeschehen und Arbeitsteilung
Das Nächste, was zurechtgerückt werden muss, ist das Bild vom Geschehen auf dem Markt selbst, das, was Adam Smith – wie bereits erwähnt – unsinnigerweise als »unsichtbare Hand« bezeichnet hat, die das Marktgeschehen regelt. Das Einzige, was auf einem Markt unsichtbar ist, sind die Gedanken der Marktteilnehmer. Alles andere ist – außer im Versandhandel – sichtbar: die Ware, ihre Anlieferung, ihr Preis, der Ausstellungsort, der Verkäufer, das Einpacken, die Bezahlung, die Übergabe, also die Transaktion. Unsichtbar sind die Entscheidungskriterien der Marktteilnehmer, sowohl auf der Anbieterseite wie auf der Nachfragerseite.
Dabei sind die Entscheidungskriterien des Anbieters unmittelbar auf dem Markt vergleichsweise unwichtig. Die wesentlichen Entscheidungen fallen außerhalb des Marktes, vorher bei der Produktion oder bei der Auswahl im Einkauf, bei den Einkaufsreisen oder im Entwicklungslabor, beim Bankgespräch. Der Kaufmann, der auf dem Markt steht, will seine Ware oder seine Leistung loswerden, fast egal wie und fast egal an wen. Spontaneität ist nicht gefragt, sondern Stabilität. Wenn jemand sein Portemonnaie zückt, um den geforderten Preis zu zahlen, fragt der Anbieter nicht, was der Käufer mit der Ware vorhat. Es geht ihn nichts an. Sein Interesse zielt auf das Geld, das heißt auf den Tausch seiner Ware gegen Geld. Der Anbieter hat auch normalerweise keine Restriktion beim Verkauf der Ware, es sei denn, es handelt sich um Waffen oder Gifte oder um die Abgabe an Kinder oder den Verkauf ins Ausland. Der Verkäufer ist frei in dem was er anbietet, zu welchem Preis er es anbietet, wem er es anbietet, beziehungsweise ist er frei, seine Leistung allen Marktbesuchern anzubieten. Der Anbieter ist Verkäufer, ist Kaufmann. Anders der Nachfrager.
Eine wesentlich größere Rolle spielt das Entscheidungsverhalten des Nachfragers unmittelbar auf dem Markt. Der Nachfrager ist viel mehr Spontaneität ausgesetzt. Seine Restriktion ist das Budget, innerhalb dessen er sich bewegen oder Geld ausgeben kann. Der Nachfrager hat kein Problem damit, sich auf unterschiedlichsten Märkten umzusehen, von Geschäft zu Geschäft oder von Internetangebot zu Internetangebot zu wechseln, seine Entscheidung zu verschieben oder zu einem völlig anderen Produkt zu wechseln, beispielsweise auf eine Reise zu verzichten und sich dafür ein Auto zu kaufen oder Ähnliches. Der eigentliche Nutznießer der Entscheidungsfreiheit der Märkte ist der Nachfrager. Seine Entscheidung fällt hinter seiner Stirn, normalerweise unsichtbar für alle anderen.
Für den Anbieter bietet der Markt die Chance, an das Geld anderer Leute zu kommen, für den Nachfrager eine unendliche Auswahl. Für den Anbieter spielen die Marktpreise eine viel größere Rolle als für den Nachfrager. Der Anbieter ist existenziell davon abhängig. Der Preis bestimmt, ob sich seine Mühe lohnt, ob er belohnt wird, und ob er überhaupt einen Lohn erhält. Der Preis
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