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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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Anmietung eines Standes (Warteliste), genauso wie für die internationale Messe (Ausstellervertrag), für den Supermarkt einer baurechtlichen Nutzungsgenehmigung, wer ein Bankgeschäft betreibt, ist der Bafin unterstellt, wer eine Versicherung betreibt, wird vom Bundesversicherungsamt kontrolliert, und so weiter. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften erfolgt nicht auf dem Markt, nicht öffentlich, sondern im privaten Bereich, also in der Kanzlei, der Praxis, im Betrieb, in den Verwaltungsräumen der jeweiligen Organisationseinheit. Dort werden aber nicht nur die Zugangsvoraussetzungen kontrolliert, dort finden die branchenspezifischen Kontrollen statt, gesundheitliche, hygienische, die Kontrolle der Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, oder auch allgemeine Kontrollen, insbesondere steuerliche. Verallgemeinernd kann man sagen: Der Sinn der Regeln und Vorschriften besteht darin, funktionierende Märkte und ein funktionierendes Gemeinwesen zu schaffen.
    Natürlich mag man Freund eines freien Wettbewerbs und freier Märkte sein, aber freie Märkte sind Flohmärkte. Jeder kann alles verkaufen. Eine gewerbliche Tätigkeit, also eine, die einen Mann, eine Familie ernährt, ist auf Flohmärkten kaum möglich. Eine typische Tätigkeit ist die des Gepäckträgers, ein Beispiel, das auch bei Adam Smith Erwähnung findet 12 . Adam Smith meint, der Markt müsse groß genug sein, sonst würde sich eine solche Tätigkeit nicht lohnen. Das heißt, auf dem Dorf – so sein Beispiel – habe ein gewerblicher Gepäckträger kein auskömmliches Einkommen, er müsse in die Stadt gehen. Diese Betrachtungsweise offenbart Adam Smiths Marktsicht. Für ihn ist der Markt der Absatzmarkt, der Nachfragemarkt, die Zielgruppe. Aber die Stadt ist keine Garantie für ein Einkommen, denn Preise sind ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Wenn es in einer Stadt viele Arbeitslose gibt und deshalb sehr viele auf die Idee kommen, Gepäckträger zu spielen, dann fangen die Anbieter an, sich gegenseitig zu unterbieten, bis sie nicht mehr davon leben können. Dann reduziert sich zwar die Zahl der Anbieter, weil viele aufgeben (oder verhungern), aber der Preis stabilisiert sich nicht auf Wohlstandsniveau, sondern beim Existenzminimum.
    Das alte Beispiel des Gepäckträgers hat eine moderne Form, und die heißt Taxi, ein Geschäft, das sich mit den Kutschen entwickelt hat. Schon Kutschen durften in Großstädten und feinen Badeorten nur kutschieren, wenn sie dafür eine Konzession besaßen. Die Erfahrungen mit Taxikonzessionen in deutschen Städten sind überall gleich: Wo es zu viele Konzessionen gibt, können die Taxifahrer nicht davon leben, sondern nur vegetieren.
    Die vorstehenden Ausführungen dürften eines klar gemacht haben: Eine freie Marktwirtschaft ohne diese Regeln ist eine Chaosveranstaltung, in der der Stärkere gewinnt. Der Markt selbst ist eine ganz beschränkte Situation. Der Markt ist der Punkt, an dem unter Einhaltung genereller Regeln ein Tausch stattfindet, und sonst nichts. Das gilt auch für den Internetshop beziehungsweise den Versandhandel. Er ist öffentlich, unterliegt ergänzenden Regeln der Preisklarheit und -wahrheit, auch weil er so unpersönlich ist. Kaum jemand kann, soll oder will erkennen, was sich dahinter verbirgt, das heißt, wer die Ware produziert, wo sie gelagert wird, wer das Fullfilling und den Transport übernimmt. Die geschäftlichen Beziehungen sind Privatangelegenheit des Anbieters. Umgekehrt sagt auch der kaufende Kunde nicht, wofür er etwas braucht oder gebraucht. Das ist wiederum seine Privatsache. Der Tauschvorgang selbst ist anonym und daher wertfrei. Auf dem Markt gelten nur wirtschaftliche Parameter: Knappheit, Image, Nutzen. Niemand ist dort im Prinzip für das, was der andere tut, verantwortlich. Der Verkäufer einer Pistole kennt die Motivation des Käufers nicht. Er hält sich an die staatlichen Vorschriften beziehungsweise Restriktionen. Der Rest liegt in der Verantwortung des Staates (der Mord, die Tat), nicht des Verkäufers der Waffe (so er alle Vorschriften eingehalten hat und nichts von einer geplanten Tat wusste), nicht des Marktes. Alle Ethikseminare sind, was das Marktverhalten anlangt, im Prinzip überflüssig.
    Anderes gilt für das Hinterland, die Organisationen, die Unternehmen und Sozialstrukturen. Im Bereich des Privaten haben Werte und Tugenden wie Verantwortung, Gerechtigkeit, persönliche Beziehung und Zuverlässigkeit, Zugehörigkeit, Sozialkompetenz et cetera ihren

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