OCCUPY - Verschwörung aus dem Dunkeln (Gesamtausgabe)
groß war, zum wesentlichen Teil an dem unerträglichen Geschwätz seines Gastgebers. Der hatte trotz vieler Worte immer noch nicht erklärt, was er im Schilde führte, um seinen lebhaft geschilderten Alptraum zu verwirklichen. Der schwäbische Professor konnte nicht fassen, dass er fernab der Heimat in einem Vulkan mit dem Führer Hitler an einer Tafel saß, der bei aller Affinität zu Allmachtsfantasien zumindest verbal die Juden verschonte. Und dass er als Enkel eines Heimatvertriebenen Halbjuden von weißem Porzellan mit goldenen Hakenkreuzadlern mit Bestecken aß, die eine Hakenkreuzprägung im Griff besaßen, ohne sich übergeben zu müssen.
Mit halb vollem Mund wandte sich Hitler seinem verstörten Gast zu: „Mein lieber Professor, jetzt habe ich sie aber lange genug auf die Folter gespannt, nicht wahr?“ Als er sprach, flog ihm ein kleiner Fleischbrocken aus dem Mund und landete genau in Schreiners rechtem Auge. Zutiefst angewidert, aber ohne sich etwas anmerken zu lassen, pulte der Professor mit dem Zeigefinger den Fremdkörper heraus und spitzte die Ohren in der Hoffnung, der Führer möge endlich seine Karten auf den Tisch legen.
Das tat er schließlich auch. Allerdings holte er dazu sehr weit aus: „Kennen Sie Hanussen, den Astrologen meines Vaters?
Schreiner nickte stumm. Hitler fuhr fort.
„Und Sie wissen ja vielleicht auch, dass Herr Hanussen erschossen wurde, nicht wahr? Die offizielle Version besagt, dass er 1933 ermordet wurde, nachdem er den Reichstagsbrand vorausgesagt hatte. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Oberst Günter Strassner, damals zuständig für die Entwicklung der Geheimwaffen der Luftwaffe ließ ihn durch die Gestapo verhafteten nachdem er vorausgesagt hatte, dass sich eine Gruppe tapferer deutscher Kämpfer gegen Ende eines verlorenen Weltkrieges mit des Führers unehelichen Sohn, sprich mit mir, mit einigen ganz speziellen Flugmaschinen nach Südamerika absetzen würde, um dort abzuwarten bis Amerika im neuen Jahrtausend von vielen selbst verschuldeten Krisen heimgesucht und geschwächt würde. Dann wäre der Zeitpunkt der Rache gekommen und wundersame, an Fische erinnernde Flugmaschinen aus dem Geheimarsenal des Dritten Reiches würden Tod und Verderben über die Zentren der Macht in Washington und an der Wall Street bringen. Damit würden sie einen gewaltsamen Machtwechsel in den USA herbeiführen und das Kräfteverhältnis in der gesamten Welt zu Gunsten der Armee im Zeichen des Hakenkreuzes wenden.“
Der Professor schluckte, ihm stockte fast der Atem.
„Gott sei Dank, hatte Hanussen seine Prophezeiung nur im kleinen Kreis geäußert und konnte danach sofort von meinem Ziehvater ausgeschaltet werden. Mein leiblicher Vater wusste noch nicht einmal, dass ich überhaupt existierte. Meine Mutter hatte ihm nämlich nichts von ihrer Schwangerschaft verraten und die beiden verloren sich auch wegen seiner Liaison mit Eva Braun aus den Augen. Als dann die Front im Osten und im Westen zusammenbrach und die totale Niederlage nur noch eine Frage weniger Wochen war, schaffte Oberst Strassner meine Mutter und mich außer Landes. Ihnen, mein lieber Professor, brauche ich ja nicht zu erklären, dass sich die Reichweite der Junkers Ju 390 von 10.000 Kilometer auf beinahe das anderthalbfache erweitern lässt, wenn man in ihrem Laderaum weitere Tanks unterbringt. Sie haben auch selbst einmal über unsere Luftbetankungs-Experimente in den letzten Kriegsmonaten über Frankreich referiert. Was sie sicher nicht wussten, weil mein verehrter Oberst Strassner sämtliche Unterlagen fälschen ließ: Es gab mehr flugfähige Prototypen als bekannt. So blieben uns drei der riesigen, sechsmotorigen Transportmaschinen, um Ausrüstung und Menschen von Süddeutschland aus über den Atlantik nach Venezuela und von dort aus hier nach Bolivien zu fliegen.“ Hitler schaute gespannt mit geschwollener Brust auf die Reaktion des von ihm verehrten Flugzeugexperten.
Der riss die Augen auf und konnte seine Verwunderung kaum verbergen: „Das, das ist ja völlig irre“, stammelte er und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. Mit einem Mal passten alle Puzzleteilchen zusammen: die vereinzelt im Urlaub verstreuten Trümmer eines Flugzeugs vor der Landebahn des ehemaligen Flugfelds in Venezuela, die Berichte der dortigen Bevölkerung, von großen Flugmaschinen, die vor vielen Dekaden über den großen Teich kamen und wieder verschwanden, der Bohai um die Kanzel mit den kompletten Triebwerken der Horten.
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