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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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den Reißverschluss seines Pullis auf, so weit es ging, und griff nach dem Kragen, um ihn sich über den Kopf zu ziehen.
    »Das ist nicht normal?«, riet ich, sprang auf und half Simon aus dem nassen Pulli, der ihm an den Schultern klebte.
    »Nicht mal annähernd.«
    Ich schaute zur Seite, als er sein T-Shirt zurechtrückte. Der Stress brachte offenbar mein Gefühlsleben durcheinander.Ich hatte Simon schon bei unzähligen Gelegenheiten ganz ohne Oberteil gesehen, und jetzt lief ich rot an, nur weil ich einen Blick auf seinen nackten Bauch erhascht hatte.
    »Der Tidehub beträgt hier gewöhnlich etwa drei Meter innerhalb von sechs Stunden – also ein halber Meter pro Stunde. Das ist zwar schnell genug, um es irgendwann zu bemerken, aber man kann gewöhnlich nicht dabei zuschauen, wie das Wasser steigt.«
    Ich überschlug die Zahlen in meinem Kopf. »Die Flut ist mehr als doppelt so schnell, wie sie sein sollte.«
    »Genau.« Er schüttelte den Kopf. »Total verrückt.«
    »Noch verrückter ist allerdings, dass du schon Schüttelfrost hast und deine Lippen blau anlaufen, ohne dass du es merkst.« Ich hob den Rucksack und den Plastikbehälter auf, die er achtlos irgendwo abgestellt hatte. »Wir sollten sehen, dass wir zurück zum Auto kommen.«
    »Stimmt.« Er hielt sich die Hände vor den Mund und versuchte, sie mit seinem Atem zu wärmen. »Schließlich haben wir noch eine Menge zu tun.«
    Simon sprang auf den nassen Sand, und ich warf ihm seine Ausrüstung zu. Er verstaute den Plastikbehälter, schulterte den Rucksack und plazierte sich am Fuße des Felsens. »Jetzt kommt der leichte Teil«, sagte er, als ich mich nicht sofort rührte. »Stell dir einfach vor, du kletterst eine Leiter nach unten.«
    »Leitern stehen normalerweise nicht in einem 93-Grad-Winkel«, erwiderte ich und starrte über die Felskante.
    Simon wartete, bis unsere Blicke sich trafen. Seine Miene war ernst geworden, und die Sorge um mein Wohlergehen hatte für den Moment seine Begeisterung darüber verdrängt, was für eine sagenhafte wissenschaftliche Entdeckung wir anscheinend gemacht hatten. »Nimm dir Zeit«, sagte er. »Du weißt, ich fange dich auf.«
    Simon würde mich auffangen. Mir war klar, dass er mich damit nur beruhigen wollte, aber gleichzeitig fragte ich mich unwillkürlich, ob in seiner Wortwahl eine Botschaft versteckt lag.
    Unter mir spritzte die Gischt, und ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen. Ich drehte mich herum, kniete mich hin und schob zuerst einen Fuß, dann den anderen über den Felsrand. Während ich meinen Oberkörper mit vollem Gewicht aufstützte, ertasteten meine Zehen zwei schmale Spalten im Granit. Erst als die Füße sicheren Halt hatten, hob ich den Oberkörper ein bisschen und verlagerte mein Gewicht langsam rückwärts.
    Buh.
    Justines blaue Augen blitzten vor mir auf. Ihre grauen Hände ergriffen meine Taille, ihre zerschlagenen Arme zerrten mich nach unten. Panisch löste ich meinen Griff, und meine Füße verloren den Halt. Ich stürzte, wobei ich überraschenderweise mit den Füßen zuerst im nassen Sand landete. Schnell taumelte ich zurück, bevor ich einsinken konnte, bevor die Wellen nach mir griffen und sich um meine Knöchel schlangen.
    »Alles okay.«
    Ich starrte an Simon vorbei auf das Meer, sah kaum seine ausgebreiteten Arme, die bereit gewesen waren, mich, falls nötig, aufzufangen.
    »Vanessa«, sagte er sanft und trat auf mich zu.
    Da wurde ich von einer Welle getroffen. Ich hielt den Atem an, als sie zurückrollte, und erwartete fast, Justine zu sehen, die sich aus dem nassen Sand erhob.
    Aber sie war nicht da. Natürlich nicht. Der Sand war unberührt und leer bis auf einige Klumpen Seetang und die aufgebrochene Schale eines Krebses.
    Mein Blick fiel auf Simons Hände – braun gebrannt, gesund,lebendig –, und ich griff danach. Sie waren kalt und feucht, aber ich konnte endlich ausatmen, als sie sich in meinen zu erwärmen begannen. Während wir so voreinanderstanden, musste ich gegen den plötzlichen, überwältigenden Drang ankämpfen, Simon stattdessen in die Arme zu schließen.
    »Alles okay«, sagte er wieder und trat noch näher. »Dir passiert nichts.«
    Ich wollte seine Hände wirklich nicht loslassen, aber das musste ich wohl, zumal wenn wir rechtzeitig genug zum Auto zurückkommen wollten, um nicht einen Teil der Strecke zu schwimmen.
    Also löste ich widerwillig meinen Griff, wobei ich mich vorsah, weder Simon noch das Meer hinter ihm anzuschauen. Als wir uns

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