Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Blick auf Simon, der ganz darauf konzentriert schien, sich die Höhe und das ungewöhnliche Verhalten dieser Welle einzuprägen.
Die Surfer brachen in Beifallsgeschrei aus, als Mark immerhin drei Sekunden auf dem Wellenkamm ritt, bevor er im Meer verschwand. Ich hielt den Atem an, bis sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach. Erst als er in unsere Richtung grinste und die Faust in die Luft reckte, erlaubte ich mir auszuatmen.
»Danke für die Hilfe, Leute«, sagte Simon, während Mark auf uns zujoggte. »Es war cool, euch mal wiederzusehen.«
»Pass auf dich auf, Mann«, meinte Mark und schüttelte ihm die Hand. »Falls wir was Neues hören, melden wir uns auf jeden Fall.«
»Danke. Und ihr solltet besser bald zusammenpacken. So wie es aussieht, steht hier in einer guten Viertelstunde alles unter Wasser.«
Sie schauten über den Strand, wo ihre Ausrüstung verstreut lag, und fragten sich anscheinend genau wie ich, ob das wirklich möglich war. Immerhin war das Wasser noch über zehn Meter entfernt.
»Ist es für dich in Ordnung, wenn ich noch schnell ein paar Messungen vornehme?«, fragte mich Simon einige Minuten später, nachdem wir schweigend zum Wagen zurückmarschiert waren. »Dauert nicht lange.«
»Kein Problem. Kannst du Hilfe brauchen?« Ich schaute zu, wie er einen Rucksack und einen Plastikbehälter von der Rückbank holte.
Er schaute zum Himmel empor, dann zum Meer. Zuletzt musterte er noch den Horizont, bevor er sich zu mir umdrehteund zweifelnd meine Füße betrachtete. »Du hast Turnschuhe an.«
»Genau, die feuerfesten«, erinnerte ich ihn.
»Also gut.« Er schenkte mir ein kurzes Lächeln. »Ich könnte ein zweites Paar Hände gebrauchen.«
Mir wurde schnell klar, warum Simon sich Gedanken über mein Schuhwerk gemacht hatte: Das Wasser stieg so schnell, wie er es vorausgesagt hatte. Wir bogen am Strand nach links ab, und ich schaute gleichzeitig nach rechts zu Calebs Freunden, die eilig ihre Boards und die übrige Ausrüstung einsammelten. Die ersten wehenden Schaumkronen leckten bereits an ihren Autoreifen. Auch wir mussten uns beeilen, um dem aufgewühlten Meer zuvorzukommen.
Ein paar hundert Meter entfernt ragte eine Kette hoher Felsen ins Meer hinein. Als wir sie erreicht hatten, öffnete Simon den Rucksack, reichte mir ein Maßband und zog als Nächstes eine Handvoll Notizhefte heraus. Er verstaute eins davon sowie drei leere Plastikampullen in seiner Jackentasche.
Simon kletterte auf den niedrigsten Felsen, kniete sich hin und hielt mir eine Hand entgegen. Er zog mich so leicht zu sich hoch, als sei ich ein Federkissen anstatt eine 60-Kilo-Person.
»Halt ein Ende des Maßbands fest, während ich das andere in der Hand habe, und schau über den Rand des Felsens«, bat er. »Wenn das Wasser weiter den Strand hochkommt, als du stehst, folgst du ihm. Du solltest die ganze Zeit auf Höhe der Wellenkämme bleiben. Das Maßband muss dabei so genau wie möglich positioniert werden. Wenn es auf voller Länge ausgezogen ist, gebe ich dir Bescheid, indem ich daran rucke.«
»Alles klar.« Ich schaute zu, als er über die Felskette davonturntewie Spiderman im weinroten Fleece-Superhelden-Kostüm.
Dann kniete ich mich hin und kroch an den Rand des Felsens. Ich spähte über die Kante und sah eine dünne Schaumschicht, die rieselnd im Sand verschwand. Die Wellen brachen sich ein paar Meter weiter rechts, also krabbelte ich dorthin, bis plötzlich das Wasser direkt unter mir an den Felsen klatschte. Erschrocken zog ich den Kopf ein. Die Gischt spritzte so hoch, dass sie den Fels und mich mit einer Sprühschicht bedeckte.
Inzwischen stieg das Wasser noch schneller. Simon hatte kaum genug Zeit, um sich auf dem letzten Felsen aufzurichten, eine Notiz zu machen und sich wieder hinzuknien, bevor für mich der Moment kam, den Wellenkämmen nach links zu folgen. Oft schlugen die Wogen so hoch, dass man kaum erkennen konnte, wo sie sich brachen, also richtete ich mich danach, an welcher Stelle die Gischt am dichtesten schien.
Zehn Minuten später liefen mir Salzwasserbäche übers Gesicht, und mein Haar war so nass, dass es mir an der Stirn klebte. Da ruckte Simon am Maßband. Er signalisierte mit erhobenem Daumen »Okay«, und ich ließ mein Ende los.
»Sensationell«, meinte er, als er auf meinen Felsen heruntergesprungen kam. »Also, natürlich ist es auch verrückt und seltsam und total unnatürlich, aber vor allem … sensationell. Die Flut steigt fast drei Zentimeter pro Minute.« Er zog
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