Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
mehreren Jungs aus ihrem Jahrgang ausgegangen. Falls ihre Gefühle für Caleb tatsächlich so stark gewesen waren, wieso hatte sie sich dann mit anderen eingelassen?
»Nein, würde ich wahrscheinlich nicht«, antwortete Simon schließlich und holte mich damit zurück in die Gegenwart.
»Hi, Mann, worauf wartest du eigentlich?«
Drei Typen in Neoprenanzügen kamen auf uns zu. Sie strahlten erschöpfte Begeisterung aus und schleiften ihre Boards im Sand hinter sich her.
»Wenn du nicht bald da rausgehst, ist es zu spät«, warnte einer von ihnen Mark.
Simon schaute auf das Meer, sein innerer Wettersender war angesprungen.
Als der Surfer Simon bemerkte, klopfte er ihm kumpelhaft auf die Schulter und fügte hinzu: »Die Sache mit Calebs Mädel war ein echter Tiefschlag. Er wird schon wieder auftauchen, wenn sich der Nebel aus seinem Gehirn verzogen hat.«
»Das da draußen ist der totale Wahnsinn«, fuhr der nächsteSurfer fort. »Vor zwanzig Minuten waren die Wellen nur halb so hoch, und seitdem werden sie ständig schneller und brutaler.«
»Ist das normal?«, erkundigte ich mich.
»Nicht mal annähernd«, antwortete Mark.
»Diese Wellen wären sogar zu hoch für die Wintersaison, wenn kollidierende Strömungen das Wasser aufwühlen.« Simon betrachtete skeptisch das Meer.
»Tja«, sagte Mark und befestigte die Sicherungsleine des Boards an seinem Knöchel, »ein Hurra auf die globale Erwärmung. Schlecht für die Welt, aber gut für Maine.«
»Noch eine Frage«, rief Simon ihm nach, als Mark auf das Wasser zumarschierte. »Wusstest du, dass Caleb seit letztem Jahr nicht mehr am Hafen gejobbt hat? Er hat stattdessen fürs Lighthouse gearbeitet.«
Mark blieb wie angewurzelt stehen. »Was?«
»Vor ein paar Tagen haben wir mit Captain Monty gesprochen. Er hat gesagt, Caleb ist letzten Sommer ohne Vorwarnung nicht mehr aufgetaucht. Monty hat erst von einem der Lighthouse -Leute erfahren, wo Caleb stattdessen steckte.«
Mark wechselte einen Blick mit den anderen Surfern, die ausgestreckt im Sand lagen, um sich zu erholen.
»Ihr wusstet das nicht?«, hakte Simon nach, als alle schwiegen.
»Nein«, sagte Mark und setzte seinen Weg zum Wasser fort. »Und die Info überrascht mich ziemlich, immerhin hat Caleb sich ein Bein ausgerissen, um dem Lighthouse das Licht abzudrehen.«
»Er ist ein Jahr lang zu jeder Bürgerversammlung gegangen«, erklärte einer der anderen Surfer. »Hat Flyer gedruckt, mit Reportern geredet und sogar eine Unterschriftenaktion gestartet, bei der er von Tür zu Tür gegangen ist und einpaar hundert Unterstützer gefunden hat. Caleb war total gegen das Lighthouse. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, es würde den Ort zerstören und Leute wie Monty aus dem Geschäft drängen. Einmal hat Caleb sogar ein persönliches Treffen mit den Geldgebern zustande bekommen. Er hat sie bei einer der Anhörungen im Rathaus abgepasst und nicht in Ruhe gelassen, bis sie zu einem Geschäftsessen bereit waren.«
Simon sah aus, als hätte man ihm erzählt, der Himmel sei grün und Regen würde vom Boden aufwärtsfallen. Ich konnte es ihm nachfühlen. Caleb war ein notorischer Nichtstuer;vor allem deshalb hatte Mom entschieden, dass er für Justine nicht der Richtige war. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass ihm Winter Harbor so wichtig war und dass er sich derartige Mühe gegeben hatte, um den Ort im alten Zustand zu erhalten.
»Hatten sie tatsächlich ein Geschäftsessen?«
»Allerdings. In Bettys Fischerhaus , weil Caleb auf die Location bestanden hat. Das war aber eine schlechte Strategie, wie sich herausstellte. Er wollte ihnen einen Geschmack davon geben, was das authentische Winter Harbor zu bieten hat, damit sie es in Ruhe lassen. Stattdessen wurden sie dadurch nur gieriger.«
Ich versuchte mir Caleb vorzustellen, wie er mit einem Dutzend Businesstypen an einem Tisch im Fischerhaus saß. Hatte Zara sie wohl bedient, und war es ihr Charme gegenüber den Gästen gewesen, der den Ausschlag gegeben hatte?
»Schaut euch das an, wie der abgeht!«, unterbrach einer der Surfer und erhob sich.
Wir blickten zum Meer, gerade als Mark sich in Hockstellung auf seinem Board aufrichtete. Zweimal versuchte er aufzustehen, aber musste sich sofort wieder mit den Händen abstützen, als die Wellenbewegung ihn aus dem Gleichgewichtbrachte. Er nahm einen weiteren Anlauf und versuchte, kippelnd die Beine zu strecken. Die Woge wuchs höher, und ihr Kamm schien sich in seine Richtung zu strecken. Ich warf einen
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