Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
angestrengt. Das könnte ihn misstrauisch machen.«
Sie stand vom Bett auf und stellte sich neben mich. »Du siehst gerade atemberaubend genug aus.«
Ich lächelte ihr Spiegelbild an und dachte, dass für sie das Gleiche galt. Paige hatte schon immer die Blicke auf sich gezogen, sogar vor ihrer Verwandlung, aber jetzt war ihre Schönheit noch beeindruckender. Ihr langes Haar schimmerte, ihre cremeweiße Haut war makellos, ihre Augen strahlten blauer als je zuvor. Sie trug kein bisschen Schminke … und hatte es auch nicht nötig. Wir waren gleichaltrig, doch während sie jünger aussah als noch vor einem Jahr, wirkte ich unter meiner Kosmetikschicht entschieden älter. Von Charlotte wusste ich, dass dieser Unterschied zum Teil daran lag, dass ich mich früher als Paige verwandelt hatte. Aber der Hauptgrund war, dass ich zu den Nenuphars gehörte und sie nicht. Ein kleiner Teil von mir beneidete Paige. Vor allem war ich jedoch dankbar und erleichtert. Ich wollte nicht, dass meine beste Freundin das Gleiche durchmachen musste wie ich. Nie im Leben.
Ich musterte noch einmal kritisch mein Spiegelbild. Da der Rest meines Körpers genauso ausgetrocknet aussah wie mein Gesicht, hatte ich mir von Mom einen langen Leinenrock geborgt, der meine Beine verbarg. Dazu trug ich ein Top, Jeansjacke und Sandalen. Das Haar fiel mir offen über den Rücken, und da ich es nicht gefönt, sondern an der Luft getrocknet hatte, kringelte es sich zu leichten Locken.
Wenn Colin nicht allzu genau hinschaute, sollte ich damit durchkommen.
»Bist du sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?«, fragte Paige. »Wir könnten ihn beide gleichzeitig anflirten. Dann kann er bestimmt keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, aber mich dagegen entschieden. Dafür gab es einen guten Grund, den ich Paige gegenüber bisher nicht angesprochen hatte: In letzter Zeit ging sie mit ihren Fähigkeiten ziemlich sorglos um, und ich wusste nicht, warum. Zwar hätte ich gerne Unterstützung gehabt, doch wenn sie wieder einmal aus der Rolle fiel, könnte sie Colin damit misstrauisch machen und unsere Chancen ruinieren.
»Danke«, sagte ich. »Das schaffe ich schon. Außerdem seid ihr ja ganz in der Nähe, also, falls doch etwas schiefgeht –«
»… was nicht passieren wird!«
»Was bestimmt nicht passieren wird … aber jedenfalls kann ich euch rufen, wenn ich euch brauche. Und das Beste ist, dass ich dazu nicht einmal mein Handy benutzen muss.«
Diese Andeutung, dass ich in Gedanken mit ihr sprechen würde, wie Charlotte mir beigebracht hatte, schien sie friedlich zu stimmen. Sie nahm mich in die Arme und drückte mich fest.
»Sei bloß vorsichtig«, flüsterte sie mir zu. »Oder ich spreche nie wieder ein Wort mit dir.«
Wir gingen in die Küche, wo Mom gerade beim Backen war, während Dad die Zeitung las, und erzählten ihnen, dass wir zu Paige wollten, um zusammen zu Abend zu essen und einen Film zu gucken. Sie sahen besorgt aus, als ich ihnen einen Abschiedskuss gab – wie neuerdings immer, wenn ich das Haus verließ –, aber versuchten nicht, zu protestieren oder uns zum Bleiben zu überreden.
Dann stiegen wir in unsere beiden Wagen und fuhren in die Stadt. In der Hauptstraße bog Paige nach rechts zum Fischerhaus ab, während ich geradeaus weiterfuhr und gegenüber von Murph’s Grillstube parkte.
»Ich suche mir einen Platz an der Bar.«
Mit einem erschrockenen Keuchen ließ ich den Lippenstift und die Schminkdose fallen, mit denen ich mich im Autospiegel aufgehübscht hatte. »Simon. Was machst du hier?«
Er stand neben der Fahrertür, hatte die Hände in den Jeanstaschen vergraben und runzelte besorgt die Stirn.
»Er wird gar nicht merken, dass ich da bin«, erklärte er.
Mit noch immer beschleunigtem Puls streckte ich die Hand durch das offene Fenster, griff nach seinem T-Shirt und zog ihn sanft zu mir heran. »Kann schon sein, aber ich werde es wissen.«
»Vanessa, ich bin nicht sicher, ob wir das durchziehen sollten.«
»Wir haben sämtliche Möglichkeiten wieder und wieder durchgekaut«, erinnerte ich ihn, »und waren alle der Meinung, dass dieser Weg der beste ist.«
»Aber wieso wehrst du dich dagegen, dass ich mitkomme? Ich bleibe außer Sicht und werde mich nur einmischen, wenn es gar nicht anders geht.«
Ich zögerte mit meiner Antwort. Meine bisherigen Argumente waren gewesen, dass ich mich an einem öffentlichen Ort inmitten von Menschen befinden würde; dass ich mich auf
Weitere Kostenlose Bücher