Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
verkeilt hatte, war er auch zu hoch, um mit meinem Geländewagen einfach darüber hinwegzufahren. Auf der Fahrbahn hinter dem Baum sah ich nirgendwo Scheinwerfer. Bei einem Unwetter wie diesem würden die meisten Leute lieber am Straßenrand halten und warten, bis das Schlimmste vorbei war. Also standen die Chancen schlecht, dass jemand auftauchen, meine Notlage bemerken und mich in die Stadt bringen würde. Außer vielleicht irgendwann die Polizei.
Ich war immer noch eine Meile vom Restaurant entfernt.
In meinem Kopf hörte ich Paige gedämpft wimmern.
Mir blieb nur eine Möglichkeit. Ich fuhr den Jeep an den Straßenrand, schnappte mir mein Handy, die Handtasche und die Autoschlüssel … und rannte los.
Meine Beine stampften rhythmisch auf den Asphalt, meine Füße flogen über Schotter und heruntergefallene Äste. Mein Puls ging schnell, aber stetig. Lange bevor ich es erwartet hatte, sah ich gedämpft die Lichter der Hauptstraße auftauchen.
Bist du immer noch im Restaurant?, fragte ich Paige.
Ja …
Wo genau?
Auf dem …
Sie verstummte.
Paige? Ist alles okay mit dir?
Nichts.
Ich wurde noch schneller und sprintete im Rekordtempo durch die Stadt. Als Bettys Fischerhaus in Sichtweite kam, schnappte ich mir mein Handy und versuchte noch einmal, Simon zu erreichen. Er antwortete nicht, also hinterließ ich eine weitere Nachricht und erklärte, dass ich jetzt bei Paige im Restaurant war und er sich bitte beeilen sollte, um uns dort zu Hilfe zu kommen.
Ich rannte die Eingangstreppe hinauf und wollte die Tür aufreißen. Sie rührte sich nicht. Ich griff fester zu und versuchte es noch einmal.
Die Tür war verriegelt. Mitten am Tag, wenn eigentlich Essenszeit sein sollte. Das Fischerhaus hatte nie einfach so geschlossen. Paige behauptete gerne, selbst wenn ein Schneesturm den Rest der Stadt lahmlegte, könnte man sich mit Skiern zum Hafen durchschlagen und sicher sein, dass dort eine heiße Fischsuppe warten würde. Das heutige Unwetter war zwar ungewöhnlich stark, aber das Restaurant hatte schon schlimmere erlebt … also was war hier los?
In diesem Moment sah ich es: Ein handgeschriebener Zettel klebte an der Innenseite des Schmuckfensters, das in die Tür eingelassen war.
Geschlossene Gesellschaft! Bitte kommen Sie morgen wieder!
Paige hatte nichts von einer größeren Veranstaltung erwähnt. Aber tatsächlich konnte ich Musik hören, die bis nach draußen dröhnte. Und als ich von der Treppe sprang und durch ein Fenster in die Gaststube spähte, stellte ich fest, dass eine Party im Gange war. Ich erkannte viele der Seeleute, die in letzter Zeit zu Stammkunden geworden waren. Sie schlenderten herum, lachten und unterhielten sich mit einer Gruppe junger Frauen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Keiner der Gäste saß an einem Tisch oder aß, sondern alle standen beisammen wie auf einer Cocktailparty. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich keine Kellner sah. Tatsächlich entdeckte ich absolut niemandem vom Personal, als ich meinen Blick durch den Raum huschen ließ.
Paige , versuchte ich es noch einmal, ich bin hier. Wo steckst du?
Nichts. Ich rannte ums Gebäude herum zum Personaleingang, der jedoch ebenfalls verschlossen war. Das überraschte mich inzwischen nicht mehr. Zu meiner Erleichterung stellte ich durchs Fenster fest, dass drinnen niemand war, der mich entdecken konnte. Nachdem ich mich kurz umgeschaut hatte, um sicherzugehen, dass ich nicht verfolgt wurde, entriegelte ich die Tür mit meinem Mitarbeiterschlüssel. Paige hatte ihn mir gegeben, als ich angefangen hatte, am Empfang zu jobben.
Als Nächstes nahm ich mir den Keller vor, aber er war leer. Also ging ich wieder hoch und schaute in den Vorratsraum, die Besenkammer und den Kühlraum. Paige war nirgends zu finden. Ich duckte mich hinter einen Turm aus gestapelten Tellern und dachte darüber nach, wie ich in die Gaststube gelangen sollte, ohne dass jemand mich bemerkte. Da hörte ich plötzlich ein Poltern über mir. Gleich darauf ertönte oben ein schabendes Geräusch, das links von mir begann und rechts endete.
Auf der Küchentheke in meiner Reichweite lag ein Messer neben einem Berg nur halbaufgeschnittener Tomaten. Anscheinend war das Personal mitten in der Arbeit unterbrochen worden. Ich schnappte mir das Messer und ging auf die Treppe zu.
Während ich die Stufen erklomm, hörte ich Stimmen. Paiges leises Wimmern wurde lauter, aber ich begriff erst nach einem Moment, dass es nicht länger in meinem Kopf erklang,
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