Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
die Augen und konnte einfach nicht aufhören zu weinen. »Trotzdem tut es mir leid. Ich wollte, dass du für deine Taten bezahlst … aber nicht so. Nicht durch meine Hand.«
Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen und wandte den Blick ab, während ich aufstand, meine durchweichte Jeansjacke auszog und sie ihm über die leeren Augen legte. Nach einer weiteren lautlosen Entschuldigung schlüpfte ich in meine Sandalen, die noch immer an der Stelle warteten, wo ich sie ausgezogen hatte, und rannte den steilen Pfad zum Parkplatz hoch.
Die nächsten Minuten vergingen wie im Rausch. Ich erreichte den Jeep, der voller Wasser stand, da ich mit offenem Verdeck gefahren war. Ich rief die Polizei an, um zu melden, dass ich eine Leiche gefunden hatte und wo sie zu finden war … und dass dringend jemand zu Bettys Fischerhaus kommen sollte. Dann hinterließ ich eine gehetzte Nachricht auf Simons Mailbox und teilte ihm mit, dass es mir gutging, aber Paige in Schwierigkeiten steckte und unsere Hilfe brauchte. Während ich den Motor startete und mit quietschenden Reifen rückwärtsfuhr, drückte ich die Schnellwahltaste für meine Eltern und versicherte, dass mit mir alles okay war und ich so bald wie möglich zu Hause sein würde.
Ich dachte nicht darüber nach, was ich gerade getan hatte. Das konnte ich einfach nicht. Sonst wäre alles vorbei gewesen. Ich hätte in meinem offenen Jeep gesessen und das Süßwasser des Regens über meine Haut laufen lassen, bis es mich langsam vergiftet hätte.
Aber Paige brauchte mich. Ich konnte Colin nicht mehr retten … genauso wenig wie Justine oder Charlotte … doch bei meiner besten Freundin hatte ich noch eine Chance.
Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich fast vom Parkplatz gerast wäre, ohne das Auto zu bemerken, das vorhin noch nicht hier gewesen war und nun versteckt zwischen einem Müllcontainer und einer Düne stand. Als ich es sah, trat ich so hart auf die Bremse, dass der Jeep einen Satz machte.
Der Wagen war ein orangefarbener Pick-up-Truck. Hinten ragten Angelruten heraus. Da Paige sich in Gefahr befand, obwohl Colin ihr nichts mehr antun konnte, musste er die ganze Zeit doch mit Komplizen zusammengearbeitet haben. Vielleicht hatten sie ihm auch helfen sollen, mich aus dem Weg zu räumen? Lauerten sie hier irgendwo und warteten nur darauf, den Job zu Ende zu bringen?
Vanessa!
Ich schüttelte den Kopf und trat aufs Gas. Die Reifen durchpflügten den matschigen Boden, drehten zuerst durch, aber dann katapultierten sie mich regelrecht aus dem Parkplatz heraus. Ich bog schlitternd in die Straße ein und raste in Richtung der Stadt.
Das Unwetter wurde immer schlimmer, während ich fuhr. Der Himmel färbte sich pechschwarz, und der Regen war wie eine graue Mauer, die meine Scheinwerfer nicht durchdringen konnten. Ich war geradezu dankbar für die Blitze, von denen die Straße alle paar Sekunden erhellt wurde. Mit beiden Händen umklammerte ich das Lenkrad und schaute starr geradeaus. Dabei dachte ich nur an Paige. Als mein Handy klingelte, warf ich einen Blick auf das Display und stellte fest, dass es nur meine Eltern waren. Also ließ ich die Mailbox rangehen.
Inzwischen musste ich ein gutes Stück näher am Ziel sein und versuchte, wieder Kontakt mit Paige aufzunehmen.
Ich bin fast da. Geht es dir gut?
Eine halbe Ewigkeit kam keine Antwort. Ich hielt den Atem an und starrte durch die Windschutzscheibe auf den verschwommen sichtbaren Mittelstreifen. Gerade wollte ich meine Frage mit mehr Nachdruck wiederholen, als ihre Stimme in meinem Kopf erklang.
Ja, sagte sie und wirkte ganz zitterig. Aber er ist hier.
Wer? Wo?
Sie sagte noch etwas, doch ihre Stimme wurde vom Donner übertönt. Ein Blitz erhellte den gesamten Himmel und schlug direkt neben der Straße in einen Baum ein, der in zwei Hälften gespalten wurde. Ich sah den gesplitterten Stamm in meine Richtung kippen und trat aufs Gas – aber ich hatte keine Chance. Der Baum landete vor mir auf dem Asphalt. Ich brachte den Wagen rutschend zum Stehen, warf den Rückwärtsgang ein und versuchte, das Hindernis zu umfahren.
Der Stamm war schmal, aber lang. Er blockierte die gesamte Straße, und die obersten Äste hatten sich im Gebüsch am Waldesrand verfangen. Ich riss die Tür auf, sprang aus dem Jeep und rannte zu dem halbierten Baum, um irgendwie einen Durchgang zu schaffen. Doch selbst als ich mit aller Kraft schob und zerrte, rollte er nur ein bisschen hin und her. Da er sich in einem schrägen Winkel
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