Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
paar Minuten aus dem Wasser gekommen, und trotzdem begann meine Haut schon wieder zu spannen, und meine Kehle wurde eng.
»Da hast du also gesteckt«, bemerkte Mom eine Minute später.
Das Glas begann, mir aus den schlaffen Fingern zu rutschen, und ich griff fester zu. »Wann denn?«
»Während der Hausbesichtigung. Anne hat gesagt, dass du für eine Weile verschwunden warst. Du hast mit potentiellen Käufern geredet? Sie auf dem Grundstück herumgeführt?«
Meine Fingerkuppen wurden weiß, weil ich das Glas so krampfhaft umklammerte. »Ja, genau. Da war eine Familie, die genau wissen wollte, wo unser Garten anfängt und endet. Mit denen bin ich ziemlich lange draußen gewesen.«
»Wie hießen sie denn?«
»Äh, was?«
»Wenn du so lange mit ihnen geredet hast, haben sie sich bestimmt vorgestellt, oder nicht?«
Ich versuchte, mir schnell einen Nachnamen einfallen zu lassen, aber in meinem Kopf drehte sich alles.
»Vanessa.«
Ich ließ den Kopf hängen. Mom legte mir die Hand aufs Knie.
»Tut mir wirklich leid«, sagte sie.
»Wieso? Was denn?«
Mit einem Seufzer lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück. »Ich hätte dich nicht bitten sollen, bei dem Verkauf zu helfen. Das Haus bedeutet dir so viel. Kein Wunder, dass du die erste Gelegenheit benutzt hast, dich zu drücken. Ich bin eine Rabenmutter, weil ich dir diesen Job überhaupt zugemutet habe.«
Ich setzte das Glas ab und schaute sie an. »Du hast dein ganzes Leben für mich umgekrempelt, und zwar mehr als einmal«, protestierte ich. Und kopfschüttelnd fuhr ich fort: »Stimmt, ich habe das Haus immer geliebt. Ein Teil von mir wird es sehr vermissen. Aber deshalb bin ich nicht in den Garten verschwunden.«
Ich hatte gehofft, sie beruhigen zu können, aber ihr Stirnrunzeln bewies, dass es mir nicht gelungen war.
»Mom, du kannst mir ruhig glauben, ich habe –«
»Simon.«
Ich ruckte zurück.
»Du warst mit ihm zusammen, stimmt’s? Ach, mein Schatz, das ist wirklich keine gute Idee. Warum willst du die alten Gefühle wieder wecken, wenn in ein paar Monaten sowieso alles vorbei ist? Fernbeziehungen halten nie, wie sehr man sich auch das Gegenteil wünscht, und –«
»Mir ging es nicht gut.«
Mom klappte den Mund zu und presste die Lippen zusammen.
Ich wählte meine Worte sorgfältig. »Davon habe ich nichts gesagt, weil du dir nur Sorgen gemacht hättest. Mir ist ein bisschen komisch geworden … also bin ich in den Bootsschuppen gegangen. Da habe ich mich eine Weile ausgeruht.«
Sie nickte, während sie darüber nachdachte. »Was meinst du mit ›komisch‹?«
»Das Übliche eben: müde, durstig, erschöpft.«
»Migräne?«
Unsere Blicke trafen sich. »Nein, keine Migräne.«
Sie senkte den Kopf und schob das Essen auf ihrem Teller herum.
»Mom.« Diesmal legte ich ihr die Hand aufs Knie. »Sie sind fort. Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen.«
»Ja, das sagst du jetzt, aber kannst du dir sicher sein? Ganz sicher? Du hast schon einmal geglaubt, dass sie fort sind, und dann sind sie trotzdem wieder aufgetaucht.« Mom zitterte am ganzen Körper. »Vielleicht hätten wir nicht zurückkommen sollen. Bestimmt wären wir zu Hause sicherer. Oder … ich weiß auch nicht … wir könnten nach Kanada ziehen. Irgendwohin. Hauptsache, weg von hier.«
Meine Sirenenfamilie stammte aus Kanada. Aber darüber wollte ich sie jetzt bestimmt nicht aufklären. Ich hatte Mom in den letzten Monaten eine Menge erzählt – zum Beispiel von den bohrenden Kopfschmerzen, die mich in der Nähe feindseliger Sirenen überfielen –, doch es gab auch genug Einzelheiten, die sie einfach nicht wissen musste.
»Ich habe ihre Leichen gesehen«, erinnerte ich Mom mit leiser Stimme. »Im Süßwasser des Sees sind sie unglaublich schnell verwest. Ich bin extra dorthin zurückgekehrt, um ganz sicherzugehen.«
Sie schniefte und wischte sich über die Augen. »Du hast schon so viel durchgemacht. Das alles hätte ein Mädchen in deinem Alter nie erleben sollen. Und ich will einfach nur mein Bestes tun, damit du von der Vergangenheit loskommst und glücklich wirst.«
»Ach Mom, hast du dich mal umgeschaut?« Ich zeigte auf die Bilderbuchidylle um uns herum. »Damit könnte Schöner Wohnen eine ganze Sonderausgabe füllen. Eigentlich müsste es als Highlight in jedem Reiseführer stehen: ein Architekturwunder inmitten paradiesischer Natur …«
Jetzt musste Mom lächeln. »Ja, es ist ganz hübsch geworden.«
»Hier ist es einfach umwerfend! Ich habe ein
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