Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
wurden weicher. »Hallo, Vanessa. Nimm mir mein Gemecker nicht übel, ich habe nur …«
»… das Beste für unsere Familie im Kopf. Wie immer.« Paige kam aus der Gaststube auf uns zu.
»Wer könnte es mir verdenken?«, sagte Oliver mit einem zärtlichen Blick auf Betty.
»Ich bestimmt nicht. Im Gegenteil, ich kann dir gar nicht genug danken.« Paige begrüßte beide mit einer flüchtigen Umarmung. »Was haltet ihr von einer Rundtour? Ich zeige euch, woran ich gerade arbeite, und erzähle euch, was ich noch geplant habe.«
Paige blinzelte mir zu, hakte sich bei Betty unter und führte sie in den Essbereich. Oliver folgte den beiden dichtauf. Als sie um die Ecke außer Sicht verschwanden, hörte ich als Letztes die Worte: »Aber Paige, Liebes, hier ist es so still. Wo sind die Gäste? Ich dachte, wir hätten uns geeinigt, dass während des Umbaus geöffnet bleibt.«
»Ich weiß, Oma B. Wir haben geöffnet.«
Pflichtbewusst kehrte ich an meinen Platz beim Empfang zurück und schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach zwölf an einem Dienstag. Normalerweise hätte das Restaurant voll mit Einheimischen, Sommergästen und Ausflüglern sein sollen. Man hätte hektische Betriebsamkeit hören müssen, klirrende Teller, rasselndes Besteck und das Klappen der Schwingtür, durch die gehetzte Kellner hin- und hereilten. Aber außer uns und dem Personal befand sich kein Mensch im Restaurant, und der einzige Lärm kam von Hämmern und Sägen.
Paige hatte gesagt, dass Bettys Fischerhaus nicht als Einziges unter Gästemangel litt, und mein Blick in die Zeitung bestätigte ihre Einschätzung:
AUF STURMSOMMER FOLGT
TOURISTENFLAUTE
Der offizielle Start der Hochsaison am Unabhängigkeitstag rückt näher, und die Läden und Restaurants von Winter Harbor überbieten sich gegenseitig. Dieses Jahr hat Winter Harbor nicht nur den frischesten Hummer der Ostküste und die Souvenirs und Attraktionen der Ferienregion Maine im Angebot, sondern Rabatte, Bonuspunkte und Sonderangebote, um den Tourismus anzukurbeln.
Das Problem ist nur, dass die Gäste auf sich warten lassen.
»Letzten Sommer standen hier Schlangen von zwanzig Leuten, und zwar von Mittag bis Mitternacht«, sagte uns Eddie Abernathy, der Besitzer von Eddies Eisdiele. »Jetzt verschenke ich zu jeder vollen Stunde Eiskugeln, um Kunden anzulocken … aber trotzdem ist mein Laden leer.«
»Diese Saison ist wie verhext«, erklärte auch Nina Poole, die Managerin von Waterside-Bademoden. »Letztes Jahr hatten wir unsere Bikinis kaum ins Schaufenster gehängt, da wollte sie schon jemand kaufen. Jetzt können wir von Glück sagen, wenn die Leute auch nur einen Blick auf unsere Auslagen werfen.«
Das Immobiliengeschäft hat ebenso zu leiden. Die Eröffnung des luxuriösen Lighthouse Wellness Resorts lockte im letzten Frühjahr neue Investoren an, die auf einen Tourismusboom hofften, und erhöhte die Verlaufsumsätze um satte 100 Prozent. Die ganze Region erlebte einen Aufschwung, und die lokalen Händler befanden sich im Begeisterungstaumel. In Erwartung der besten Saison von Winter Harbors Tourismusgeschichte wurden die Regale und Warenlager zum Überquellen gefüllt.
Dann begannen die Stürme.
»Man kann es den Gästen kaum verdenken«, sagte uns Hafenmeister Captain Monty. »Zuerst ging das verrückte Wetter los, und dann ist fast jeden Tag einer ertrunken. Ich kann kaum glauben, wie viele Leute durchgehalten haben und geblieben sind. Jetzt mal ehrlich, wenn Winter Harbor nicht der Ort wäre, wo meine Mom mich zur Welt gebracht hat, dann hätte ich auch einen ruhigeren Hafen angesteuert.«
Die Touristenflaute ist besonders niederschmetternd, da in den letzten zehn Monaten unterdurchschnittlich wenig Regen verzeichnet wurde und die Sonne seit Memorial Day ununterbrochen geschienen hat. Die wenigen Stammgäste, die genug Durchhaltevermögen hatten, um die Stürme mit uns abzuwettern, werden diesen Sommer mit idealen Urlaubsbedingungen belohnt.
Was den Rest angeht …
»Wer diesen Sommer verpasst, ist selber schuld«, kommentierte Paige Marchand, die Enkelin der bekannten Restaurantbesitzerin von Bettys Fischerhaus, das seit 1965 zu den lokalen Highlights gehört. »Winter Harbor wäre selbst dann noch der schönste Fleck auf Erden, wenn es einen Meter unter Wasser stände.«
»Wo ist denn das Schild?«, fragte eine Stimme.
Ich schaute auf, und bei der ruckartigen Bewegung pulste es schmerzhaft hinter meiner Stirn. Schnell verdeckte ich die Zeitung mit einer
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