Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
Speisekarte, als eine junge Frau durchs Foyer auf mich zusteuerte.
»Bitte?«, fragte ich.
»Das Restaurantschild.« Sie hielt eine der Stadtkarten hoch, die man an der Touristinformation bekam. Cartoons und Strichmännchen wiesen auf die Sehenswürdigkeiten der Umgebung hin. »Hier sollte Bettys Fischerhaus sein, aber es sieht eher aus wie eine Baustelle.«
Ich lächelte freundlich und erklärte: »Das Schild wurde kurzzeitig abgenommen. Wir renovieren, haben aber trotzdem ganz normal geöffnet.«
»Dann sollte man auch erkennen können, dass man am richtigen Ort gelandet ist.«
Ich wurde rot. »Ja, natürlich.«
Sie hielt meinen Blick einen Moment fest, dann grinste sie plötzlich. »Ist die Hummersuppe wirklich so genial, wie alle behaupten?«
»Noch viel besser.« Ich nahm eine zweite Speisekarte aus dem Halter an der Wand und führte die junge Frau in die Gaststube.
»Gibt es hier auch eine Bar?«
Ich wurde langsamer und warf einen Blick über die Schulter. Die Touristin sah nicht viel älter aus als ich. Höchstens zwanzig, also durften wir ihr keinen Alkohol ausschenken.
»Ich sitze nicht gerne ganz allein an einem Restauranttisch«, sagte sie. »Und bei der Bar gibt es meistens auch einen Fernseher. Wenn ich schon sonst keine Gesellschaft habe …«
Ich verstand gut, was sie meinte. Letztes Jahr war ich ebenfalls ganz allein ins Restaurant gekommen. Ich hatte die Gesellschaft von Menschen gebraucht, aber nicht über mich oder Justine reden wollen. Vielleicht war das Mädchen aus einem ähnlichen Grund hier? Ich dachte darüber nach, während ich sie zur Bar führte und ihr die Fernbedienung gab.
»Ich schicke gleich eine Kellnerin vorbei.«
»Danke.« Sie nahm die Speisekarte, und ich wandte mich ab. Da fragte sie plötzlich: »Wie heißt du?«
Ich blieb stehen und drehte mich um.
»Hier ist weit und breit keine Bedienung zu sehen, also falls ich jemanden brauche, würde ich gerne nach dir rufen können. Ich bin keine zickige Touristin, aber wahrscheinlich wirke ich so, wenn ich einfach ›Hey du!‹ brülle.«
Sie wirkte nett, aber von einem unbekannten Gast kam mir diese Frage ziemlich seltsam vor, und ich hätte fast eine ausweichende Antwort gegeben.
»Vanessa«, sagte ich schließlich.
Sie hielt mir die Hand entgegen. »Ich heiße Natalie. Danke, dass du dich so um mich kümmerst.«
»Kein Problem.« Sie hatte einen warmen, festen Händedruck.
Danach wandte sie sich dem Fernseher zu, der auf einem Regal nah an der Decke stand, und ich lief in die Küche, um eine Kellnerin zu finden. Natalies Bemerkung war durchaus berechtigt gewesen. Man konnte das Restaurant zwar nicht als unterbesetzt bezeichnen, da es schließlich keine Gäste gab, aber unsere einzige Kellnerin ließ sich selten blicken.
»Du brauchst mich, stimmt’s?« Louis stand an der Hintertreppe, lehnte an der geöffneten Tür und rauchte. »Bitte, sag mir, dass ich was kochen kann.«
»Ja, schon«, antwortete ich. »Aber nur für einen einzigen Gast.«
»Das ist mehr als genug.« Er ließ die Zigarette auf die Steintreppe fallen und trat die Kippe aus. »Du hast gerade mein Leben gerettet.«
Ich wollte gerade fragen, wo die Kellnerin steckte, als ich sie schon die Treppe vom Pausenraum herunterrennen hörte. Die junge, unerfahrene Carla sauste als schwarzweißer Wirbelwind an mir vorbei durch die Schwingtür.
»Ich behalte sie besser im Auge«, erklärte ich. »Paige ist immer noch mit Betty und Oliver beim Rundgang.«
Anscheinend hörte Louis mich gar nicht, denn er war zu sehr damit beschäftigt, Herd und Backofen vorzubereiten. Der Rest des heutigen Personals bestand aus einem jungen Mann, der als Tellerwäscher und Hilfskoch diente und gerade am anderen Ende der Küche in einer Zeitschrift blätterte. Niemand achtete auf mich, aber trotzdem kam ich mir ein bisschen seltsam vor, als ich mich neben die Schwingtür stellte und durch das kleine Fenster spähte, das ins Holz eingelassen war.
Der Kellnerin-Kundin-Kontakt dauerte höchstens ein paar Sekunden. Carla begrüßte Natalie im Restaurant. Natalie stellte einige Fragen zur Getränkekarte, Carla stammelte sich durch die Antworten und schrieb das Gewünschte auf. Dann steuerte die Kellnerin auf die Küche zu, aber machte mitten auf dem Weg kehrt, um stattdessen an der Bar zwei Gläser vollzugießen. Sie stellte einen Eistee und ein Wasser vor Natalie ab.
Danach war unsere einzige Kundin wieder allein, aber ich blieb trotzdem auf meinem Beobachtungsposten. Ich
Weitere Kostenlose Bücher