Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
ihr nur Kummer bereitet, und das würde ich nicht vergessen.
Aus diesem Grund erklärte ich: »Klar, dann können wir uns unterhalten. Am besten gleich jetzt.«
»Ich weiß nicht recht«, wandte Dad ein und schaute aus dem Fenster aufs Wasser. »Es ist schon spät. Draußen ist es ziemlich dunkel. Kann die Strandbesichtigung nicht bis morgen warten?«
»Nein«, erwiderte Charlotte und schob ihren Stuhl zurück. »Ich glaube, Vanessa und ich haben schon fast zu lange gewartet.«
Mir war nicht klar, was sie damit sagen wollte, aber Dad hörte auf zu protestieren. Er senkte den Blick und stocherte in seinem Stück Käsekuchen herum. Als Charlotte sich erhob, zitterten ihre Beine vor Anstrengung, und sie musste sich auf dem Tisch abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich erwartete fast, dass Dad aufspringen und ihr den Arm um die Taille schlingen würde, aber zu meiner Erleichterung bot er stattdessen Mom an, beim Aufräumen der Küche zu helfen.
Charlotte kam allein klar. Zwar bewegte sie sich immer noch wie eine alte Frau mit Rheuma, aber sie war auf jeden Fall fit genug, um ohne Hilfe von der Küche bis zur Hintertür zu kommen.
Wie sich herausstellte, war die Treppe zum Strand ein größeres Problem.
»Geh du schon mal vor«, bat sie und hielt auf der obersten Stufe an.
Ich blieb einen Absatz unter ihr stehen und streckte ihr meine Hand entgegen. »Die Treppe sieht steiler aus, als sie ist. Wir können sie ganz langsam nach unten steigen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du brauchst das Wasser. Ich kann riechen, wie sich das Salz von deiner Haut verflüchtigt. Wenn du mit deiner Schwimmrunde fertig bist, habe ich es bestimmt bis nach unten geschafft.«
»Aber willst du nicht auch schwimmen gehen? Um dich zu erholen und Kraft zu tanken?«
»Ich werde ein bisschen durch die Wellen waten. Dann geht es mir wieder gut, versprochen.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Nun geh schon, Vanessa. Bitte.«
Je länger wir hier standen, desto schwerer schien mein Körper zu werden. Ich wusste nicht, ob ich auf sie hören oder sie überreden sollte, sich beim Treppensteigen helfen zu lassen. Andererseits würde ich mich in ein paar Sekunden wahrscheinlich selbst nicht mehr rühren können, und dann würden wir beide hier feststecken.
»Okay,« gab ich nach. »Ich brauche nicht lange.«
Hastig machte ich mich auf den Weg, wobei ich noch zweimal über die Schulter schaute, ob mit ihr alles in Ordnung war. Beim ersten Mal hatte sie sich nicht vom Fleck gerührt, aber beim zweiten Mal stand sie immerhin eine Stufe tiefer. Ein bisschen beruhigt, hetzte ich den Rest der Strecke zum Wasser hinunter. Kurz überlegte ich, den anderen Treppenweg zu meinem Zimmer hinaufzuklettern, um meinen Badeanzug zu holen, aber dafür reichte meine Kraft nicht mehr. Also zog ich hinter einem Felsen meinen Rock und das Oberteil aus und warf mich nur mit Unterwäsche bekleidet in die Wellen.
Anscheinend hatte ich mehr unter Stress gestanden, als mir klar gewesen war, denn es dauerte ungewöhnlich lange, bis ich spürte, wie mich von den Fingern bis zu den Zehenspitzen neue Energie zu durchströmen begann. Ich machte mir Sorgen um meinen Zustand, wodurch sich das Ganze erst recht verlangsamte. Schließlich versuchte ich, die Prozedur zu beschleunigen, indem ich meinen Körper auch von innen tränkte. Ich öffnete den Mund und sog beim Tauchen das Salz in mich hinein.
Einige Minuten später kehrte ich ins Flachwasser zurück, spürte Sand unter den Füßen und erhob mich aus den Wellen. Ich schritt durch die Brandung, und das Mondlicht brachte meine nackten Beine zum Schimmern. Unwillkürlich wünschte ich, Simon könnte mich so sehen. Doch gleich darauf bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ein Teil von mir wollte ihn anscheinend mit allen Mitteln zurückhaben. Ich lenkte mich ab, indem ich Ausschau nach Charlotte hielt.
Sie hatte wie versprochen den Abstieg hinter sich gebracht, saß im Sand und ließ ihre ausgestreckten Beine vom Wellenschaum umspülen. Als ich aus dem Meer stieg, schaute sie höflich zur Seite, bis ich wieder voll angezogen war. Sie wartete, bis ich mich neben sie gesetzt hatte, dann begann sie zu sprechen.
»Es tut mir leid, dass ich dich zum zweiten Mal so überrumpelt habe. Ich hatte nicht die Absicht, unangekündigt hier aufzutauchen, aber als Jacqueline … deine Mutter … und ich erst einmal ins Gespräch gekommen waren, hat sie darauf bestanden, dass ich bei euch wohne.«
Ihre Stimme klang unsicher,
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