Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
er sanft nach meiner Hand griff, und wartete auf seinen besorgten Protest, dass eine Schnittwunde auf jeden Fall ein Problem sei.
Aber er hielt nur schweigend eine Weile meine Hand, und dann wanderten seine Finger hinauf zu meinem Handgelenk. Gleichzeitig drängte er sich näher an mich heran und legte mir einen Arm um die Taille.
Ich erstarrte. Was tat er da? Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. War ich gestern so überzeugend gewesen, dass er sich heute von ein paar Worten beruhigen ließ und gleich zum Kuscheln überging? Und sollte ich mich darauf einlassen, um ihn von weiteren Fragen abzuhalten?
Er zog mich an sich. Ich presste meine unverletzte Hand gegen seine Brust und hielt ihn auf Abstand.
»Hey«, sagte ich sanft. »Auch wenn die Wunde harmlos ist, sollte ich mir trotzdem erst ein Pflaster besorgen. Nur für alle Fälle.«
Sein Gesicht war so nah, dass ich ihn nicken spürte.
»Okay, nur eine Minute«, flüsterte er.
Mein Handy, das noch immer auf dem Boden lag, erwachte summend zum Leben. Das Licht reichte aus, um ein Paar schmutziger brauner Arbeiterstiefel zu sehen, die sich gegen meine Sandalen pressten.
Simon trug keine Lederstiefel. So etwas besaß er nicht mal. Im Gegensatz zu Alex, den ich eben angeflirtet hatte. Die Schuhe waren mir aufgefallen, als ich mich zu seinem Ohr vorgebeugt hatte.
Ich öffnete den Mund zu einem Schrei und wollte meinen Arm zurückreißen, um den Typen von mir wegzustoßen. Aber da packte er mich auch mit dem zweiten Arm um die Hüften, sein Griff wurde fester, seine Brust rieb sich an meiner, und ich wusste genau, dass ich bei einem Kampf keine Chance haben würde … zumindest nicht, wenn ich nur meine Muskelkraft einsetzte.
Ich zwang mich dazu, jeden Widerstand aufzugeben und ihm die Arme um den Hals zu legen. Mit leiser, verführerischer Stimme fragte ich: »Magst du den Strand?«
Wieder spürte ich sein Nicken an meinem Hals.
»Warum machen wir nicht einen Spaziergang zusammen? Heute ist so ein schöner Tag. Ich würde ihn gerne mit dir draußen verbringen.«
»Klar«, murmelte er, »später.«
Seine Lippen berührten meine Halsgrube, und ich schluckte einen Schrei herunter.
»Gleich jetzt wäre mir lieber«, brachte ich hervor.
Er schob mich gegen die Regalwand, und seine Hände packten meine Hüften. Als ich noch etwas sagen wollte, brachte er mich zum Schweigen, indem er seine Lippen auf meine presste. Ich riss meinen Mund los und wand mich unter seinem Gewicht. Er sagte nichts, packte mich nur fester und suchte nach meinen Lippen. Ich spürte, wie mein Widerstand die Energie aus mir herausfließen ließ. In ein paar Sekunden würde ich völlig wehrlos sein.
Also schrie ich. So laut ich konnte. Aber diesmal kam kein schriller, scharfer Ton aus meiner Kehle.
Der Klang war süß, lieblich, sanft.
Und wirkungsvoll.
Alex wich stolpernd zurück und ließ mich los. Zuerst rührte ich mich nicht, weil ich zu verblüfft davon war, was ich gerade getan hatte und wie er reagierte. Dann rannte ich zur Tür. Während ich durch den Keller und die Treppe hinaufhetzte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen grellen Lichtblitz, der hinter mir aufflammte.
Ich versuchte, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen, während ich die Küche durchquerte. Schließlich wollte ich die Gäste nicht verschrecken. Aber ich brauchte Paige. Oder Simon. Jemanden, der mir helfen konnte zu verstehen, was gerade passiert war.
Zum Glück musste ich nicht lange suchen. Simon und Caleb saßen an der Bar, und Paige goss ihnen Kaffee ein.
»Vanessa?« Simon sprang von seinem Hocker auf. Caleb ebenfalls.
»Lieber Himmel!« Paige setzte die Kaffeekanne auf dem Tresen ab und griff nach dem Stapel sauberer Geschirrhandtücher.
»Keine Sorge, alles okay«, sagte ich, als sie mich umringten.
Aber das war eine glatte Lüge.
Denn erstens war der Schnitt so tief, dass noch immer Blut von meiner Hand auf den Boden tropfte.
Zweitens hätte die Wunde eigentlich schmerzen müssen, und zwar stark genug, um mir eine Notamputation zu wünschen. Aber mein Körper war völlig ausgepowert, und ich spürte gar nichts.
Und drittens – als schlimmste Überraschung von allen – konnte sich Alex aus Portland nicht im Keller befinden.
Er saß immer noch an seinem Tisch und aß Pfannkuchen.
Kapitel 15
A lso, wenn du keine Lust zum Kellnern hast, hättest du es mir einfach sagen können.«
Simon warf Paige einen ungläubigen Blick zu.
»Sorry«, sagte sie. »Aber ganze zwölf Stiche?
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