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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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übertrieben. Diese Kinder mußten sich noch nicht einmal um das nötige Holz für das Feuer kümmern, einige Bündel speziell zugeschnittenes Feuerholz lagen auf dem Traktor neben dem Kleinbus. Mojsch bemerkte auch die neue Alufolie, in die die Kartoffeln gewickelt waren, er warf einen Blick in den Korb, in dem nicht nur kleine Plastikbecher mit kaltem Kakao gestapelt waren, sondern auch Fruchtjoghurt. Als er die Betreuerin nach der Schokolade fragen hörte, wußte er, daß in dem anderen Behälter gekühlte Schokolade verpackt war, und als Nachtisch würde man ihnen Eis geben. Sie würden zur Schlafenszeit zurückkehren, vierzehn kleine Kinder und sieben Erwachsene, und die Hände der Kinder würden klebrig sein vom Eis, von der Schokolade, aber ohne Rußspuren vom Feuer und den Kartoffeln an ihren Kleidern.
    Plötzlich fiel Mojsch eine spöttische Bemerkung ein, die Aharon gemacht hatte, als sie sich in einem Café in der Stadt getroffen hatten, bei einer von Mojschs Fahrten nach Tel Aviv, eine Bemerkung darüber, daß man die Kinder im Kibbuz über die Maßen verwöhnte und beschützte. Trotz des Schweigens, das sich zwischen ihnen entwickelt hatte und von Jahr zu Jahr bedrückender wurde, trotz der Banali täten, die sie austauschten, hatte er, Mojsch, das Bedürfnis – und er war überzeugt, daß es Aharon auch so ging –, die zarte Beziehung zwischen ihnen als feste Freundschaft zu betrachten, eine Freundschaft, der die Zeit nichts anhaben konnte, die alle Veränderungen überstand und nichts von ihrer Intimität verlieren würde, obwohl keiner von ihnen je einen wirklich intimen Satz sagte, und daß jeder vom anderen das Ungesagte verstand. »Sie ziehen mit dem Gefühl in die Welt, daß ihnen alles zusteht«, hatte Aharon gesagt, als es um die Kinder ging.
    Und es fiel Mojsch auch ein, wie zornig, fast beleidigt er damals reagiert hatte, als Aharon fortfuhr: »Ihr erlaubt ihnen nicht, sich mit den Schwierigkeiten des Lebens auseinanderzusetzen und daran zu wachsen, ihre Fähigkeit, Leid zu ertragen, entwickelt sich nicht, auch kein Miß trauen und keine Zweifel. Sie glauben einfach, daß alles, was gesagt wird, auch so passiert, und kennen nichts anderes als das Bedürfnis, materielle Güter anzusammeln. Diese Sucht nach Vorteilen, die große Neigung zum Materialismus, das rührt alles von der Angst her, zu einem selbständigen Leben in der Stadt unfähig zu sein, und von der Erinnerung an eine Entbehrung, die auf einem ganz anderen Gebiet liegt, nämlich in der Entwicklung einer eigenen Indivi dualität, nicht auf der materiellen Ebene.« Mojsch dachte an Chawales Gier nach neuen Kleidern, wie sie sich immer etwas kaufen wollte, wenn sie in der Stadt waren, wie ihre Augen bei jedem neuen Fummel glänzten, an ihre nie versie gende Lust, Gegenstände anzuhäufen.
    Er dachte auch an die Auslandsreisen, die alle Jugendlichen unternahmen, auf der Suche nach sich selbst. Sie fuhren in den Fernen Osten, nach Südamerika, gierig nach Abenteuer, nach etwas anderem, egal, wie fremd und ge fährlich es sein mochte, Hauptsache, es war anders. Man che kamen geschlagen zurück, in sich selbst versunken, noch verlorener, als sie waren, bevor sie ihre Reise in das unbekannte Abenteuer begonnen hatten. Nur wenige schafften es, sich wieder im Kibbuz einzugliedern, und sie sahen dann aus, als sei das Leben hier allenfalls die Verwirk lichung eines Kompromisses.
    Dworka hatte bei einer Vollversammlung einmal eine Diskussion über das initiiert, was sie »die Schwierigkeiten unserer nachfolgenden Generation« nannte. Die Erfahrung von Sinnverlust, so fiel es Mojsch jetzt ein, hatte sie damals als Hauptmotiv für diese Reisen bezeichnet. Niemand hatte ihr widersprochen, dachte Mojsch erstaunt. Auch damals schon hatte er sich über ihre Fähigkeit gewundert, immer alles in einem anderen Licht zu sehen, über ihre immer wieder unerwartete Offenheit. »Man muß diese Reisen als natürliche und konstruktive Reaktion auf eine geistige Frage sehen«, hatte Dworka bei diesem Gespräch erläutert. »Wir sollten sie zu ihren Reisen ermuntern, als Ergänzung des Prozesses, in dem der Mensch lernt, daß die Bedeutung des Lebens nur in ihm selbst liegt. Sie haben noch nicht mal Sümpfe zum Trockenlegen. Sie haben nichts, womit sie sich vor der Leere schützen können. Es ist schwer, ohne eine Herausforderung zu leben, und wir müssen ihnen dabei helfen, sie zu finden.«
    Jetzt, auf dem Fahrrad – er fuhr gerade an Rochale vor bei, die ihm

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