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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Hilton , wohin Michael zurückgekehrt war, nachdem er Meros in die Klinik begleitet hatte. Sie saßen einander an einem prachtvollen Ecktisch gegenüber, vor ihnen erstreckte sich die Lobby, und nur hinter der Rezeption saß noch ein Angestellter und beschäftigte sich mit Rechnungen. Das Ticken der Rechenmaschine war zu hören, ab und zu klingelte das Telefon. Michael hatte das Gefühl, als summe das Hotel, denn in diesem riesigen Gebäude, dachte er, sind Hunderte von Leuten, glückliche und unglückliche, Pärchen, die Liebe machen, Köche und Bäcker, die hinter den verschlossenen Türen arbeiten, Dutzende Menschen, die in der Stille des Hotels ein geheimes Leben führen. Und nicht weit von hier, überhaupt nicht weit, gab es die Intifada mit Steinen und Molotow-Cocktails und Juwal in den Gassen von Bethlehem, und ohnehin könnte alles explodieren.
    Als würde er seine Gedanken lesen, sagte Schorer: »Denk jetzt nicht an deinen Jungen. Dem geht es gut, alles ist in Ordnung. Du brauchst nur eine Frau, irgendein Zu hause, und alles ist gut. Hör auf, so bedauernswert zu tun.«
    »Sie hat mir ein paar Skandale aus der Vergangenheit erzählt. Eifersüchteleien, Treuebrüche. Sie will so schnell wie möglich weg, und ich habe gesagt, von mir aus gebe es keine Probleme. Aber ich kann nicht verfolgen, was dort passiert, ohne eine Unterstützung. Das verstehst du doch. Deshalb bitte ich dich darum.«
    Schorer blickte ihn düster an.
    »Wie oft habe ich dich schon um etwas gebeten?« fragte Michael in flehendem Ton.
    »Das ist Erpressung«, stellte Schorer fest.
    »Nenn es, wie du willst, ich bitte dich darum«, sagte Michael, ohne zu zögern.
    »Darüber reden wir später. Was hast du heute noch erfahren?«
    »Von allem Nebensächlichen, wer wessen Kind ist, wie viele Scheidungen es gegeben hat, wie viele Ehebrüche, ist am Schluß ein Name übriggeblieben.« Michael berichtete ausführlich von Osnats Schwangerschaft. »Dieser Typ, dieser Jankele«, sagte er dann, »ist psychisch krank. Es gibt im Kibbuz noch ein paar Gestörte, aber er ist der einzige, der in Frage kommt, wenn überhaupt. Riki weiß nichts über seine damalige Beziehung zu Osnat, sie ist erst drei Jahre da, und die Sache liegt sehr lange zurück. Es gibt noch einen Fall von Anorexia nervosa, eine Jugendliche. Das ist diese Krankheit, bei der man aufhört zu essen, bis man schließlich verhungert. Hast du je davon gehört?«
    Schorer nickte. »Ja, in der Zeitung stand etwas darüber. Und weiter?«
    »Na ja, die Mutter von diesem Jankele ist auch ganz schön verrückt.« Michael beschrieb, wie Fanja sich bei Srulkes Beerdigung aufgeführt hatte.
    »Aber du hast nichts Neues über ein mögliches Motiv herausgefunden«, sagte Schorer und blickte Michael fragend an. Der schüttelte langsam den Kopf, mit den Gedanken bei etwas anderem. »Du hättest es am liebsten, wenn es die Tat eines Verrückten wäre, nicht wahr?«
    Michael lächelte. »Du gibst mir die Genehmigung, oder?« fragte er hartnäckig und fügte hinzu: »Ich möchte, daß sie schon morgen dort anfängt. Gib mir deine Zustimmung.«
    »Ich muß eine Nacht darüber schlafen«, sagte Schorer abschließend.
    »Du hast keinen Grund, darüber zu schlafen«, stieß Michael aus. »Du weißt schon alles. Wenn du mir die Genehmigung nicht gibst, kommen wir bei diesem Fall nicht weiter. Auch so weiß ich nicht, ob wir überhaupt ...«
    »Ich muß die Sache überschlafen«, beharrte Schorer.
    Michael blickte ihn schweigend an.
    Schorer seufzte. »Komm morgen früh zu mir, bevor du irgend etwas unternimmst, oder ruf mich an! Morgens se hen die Dinge ganz anders aus.«
    Michael schwieg.
    »Und wage ja nicht«, drohte Schorer, »sie ohne meine Erlaubnis hinzuschicken und dann von mir zu verlangen, daß ich dir aus dem Dreck helfe. Wage das ja nicht! Ich warne dich. Es gibt eine Grenze.«
    »Und du vergiß nicht, daß ich dich um einen Gefallen gebeten habe«, sagte Michael, als sie an Schorers Autotür standen.
    »Du bist wirklich schamlos«, sagte Schorer und fuhr los.
     
     
     

Elftes Kapitel
     
    Fast zwei Tage und Nächte machten Mojsch und Jojo in den Zimmern der Mitglieder die Runde, sie suchten im Kinderhaus, in der Wäscherei, in der Schneiderei. Auch die Fabrik ließen sie nicht aus. Sie hatten sich die verschiedensten Ausreden zurechtgelegt. Niemand fragte sie, warum sie die Sicherungen und die Vorratsräume im Kinderhaus nachprüften, und natürlich wurden sie mit offenen Armen empfangen, als

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