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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sechzehn. Ihr Tod war ganz plötzlich gekommen. Zwei Tage lag die Tote in ihrer Wohnung in der Ben-Jehuda-Straße, und niemand hatte es gemerkt. Erst nach zwei Tagen, als die Klinik bei Awigail zu Hause anrief und sich nach Esther erkundigte, streckte Awigails Vater die Hand nach dem alten, verrosteten Nagel hinter dem Kühlschrank aus und nahm den Schlüssel für den Notfall heraus. Mit schnellen Schritten, ohne jemanden an seiner Angst teilhaben zu lassen, verließ er das Haus. Dann wurde Esther beerdigt, und Awigail konnte sich nie verzeihen, daß sie das kommende Unheil nicht gespürt hatte. Zu dem Zeitpunkt, als Esther allein und einsam starb, an einer Gehirnblutung (»Gott sei Dank«, hatte Awigails Mutter gesagt, »daß es so ausgegangen ist. Gott weiß, was ihr erspart geblieben ist, wenn sie für den Rest ihres Lebens gelähmt geblieben wäre.«), war sie, Awigail, im Kino gewesen und hatte The Passenger gesehen, und ihr einziges Problem war gewesen, ob Ohad ihre Hand nehmen würde oder nicht. Er war ihr erster Freund gewesen – und wie sich später herausstellte, ihr einziger geblieben. Schon damals hatte sie angefangen, darüber nachzudenken, daß all die großen Worte über die enge Verbindung zweier Seelen nichts anderes als dummes Gerede sei, das mit der Realität nichts zu tun hatte.
    Neun Jahre lang hatte Awigail als Krankenschwester gearbeitet. Mit dreiunddreißig fühlte sie, daß sie keine Kraft mehr hatte. Das Bild Esthers, das sie in vielen schweren Stunden begleitet hatte, verblaßte immer mehr, und damit auch die enorme Bedeutung, die sie für ihre Nichte bei der täglichen Arbeit gespielt hatte. Es gab Tage, an denen Awigail sich nicht mal mehr an Esthers Gesicht erinnern konnte. Sie sah sie nicht mehr vor sich, wenn sie einem leidenden Patienten nachts den Schweiß von der Stirn wischte. Sie erinnerte sich nicht mehr an ihr warmes Lächeln, wenn sie ein Laken über einen Toten zog. Mit dem Verschwinden von Esthers Bild änderte sich Awigails Welt. Die Menschen kamen ihr grausamer vor, distanzierter, kälter, härter. Es gab keinen Raum mehr für Esthers romantische Vorstellungen, die ihr früher so richtig vorgekommen waren.
    Es fing damit an, daß Awigail Rückenschmerzen bekam. Eigentlich hatten sie schon im vierten Jahr ihrer Arbeit begonnen; damals hatte sie die Station für innere Krankheiten im Beilinson-Krankenhaus verlassen, um auf der Kinderstation des Ichilow-Krankenhauses zu arbeiten, von wo aus sie dann auf die Innere gewechselt hatte. Sie wehrte sich gegen den Druck, sich als Operationsschwester zu spezialisieren, weigerte sich, die Position als Oberschwester anzunehmen, und lehnte auch einen Kurs als Hebamme ab, denn tief in ihrem Herzen suchte sie den unmittelbaren Kontakt mit dem Leiden, das sinnlos war und ohne glücklichen Ausgang. Ein Leiden, dem nichts folgte. Und als sie dann noch Psoriasis bekam, Schuppenflechte, war ihr klar, daß sie aufhören mußte.
    Die Psoriasis tauchte ganz plötzlich auf. Eines Morgens entdeckte sie einen roten Fleck auf ihrem rechten Ellenbogen, dann auch auf dem linken. Es fing an zu jucken, als die Flecken größer wurden und die geröteten Flächen verkrusteten und sich mit einem silbrig-roten Schorf überzogen. Dann kam der Schmerz. Sie erkannte sofort, was diese Flecken bedeuteten, obwohl sie sich einzureden versuchte, es handle sich nur um eine vorübergehende Allergie. Sie achtete allerdings sofort darauf, bei der Arbeit einen langärmligen Kittel zu tragen und die Ärmel nur bis unter die Ellenbogen aufzukrempeln. Erst als sie auch Flecken in den Kniekehlen bekam, ging sie zu einem Hautarzt. Der stellte fest, was sie ohnehin schon wußte, und trotzdem brach sie in Weinen aus.
    Der Arzt stammte noch aus der alten Generation und stand kurz vor seiner Pensionierung. Seine Hand, die ihre Haut berührte, zitterte, und sie erinnerte sich, was sie alles über die Krankheit gehört hatte, an der er offensichtlich litt. Ihm fehlte die harte Entschiedenheit jüngerer Ärzte, auch die Abgebrühtheit, mit der sie Patienten zu allen möglichen Tests und Untersuchungen schickten, nur um das bestätigt zu bekommen, was sie sowieso wußten, und deren Ergebnisse es ihnen dann ermöglichten, einen Artikel in einem der renommierten Medizinjournale zu veröffentlichen. Ihr Arzt schickte sie zwar auch zu ein paar Untersuchungen, aber sie wußten beide, daß das eigentlich unnötig war, und bevor sie sich an der Tür voneinander verabschiedeten, sagte er mit

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