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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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alte Tratschtante fragte: »Wie kommt es eigentlich, daß so ein hübsches Mädchen nie verheiratet gewesen ist?« Er meint es gut, dachte Awigail, um den Zorn zu ersticken, der in ihr aufstieg. Deshalb sagte sie auch nicht: »Das geht dich nichts an«, sondern wiederholte innerlich immer wieder: Er meint es gut, und er redet nur so viel, um die Leere zu füllen, die in dieser unerträglichen Situation in ihnen allen entstanden ist. Trotzdem stieg der Zorn wieder in ihr hoch, bei jeder neuen Frage und jedem blöden Witz, den er, davon war sie überzeugt, schon hundertmal erzählt hatte.
    Einmal, vor langer Zeit, hatte Awigail vor dem Ärzte zimmer der Station für innere Krankheiten gestanden, in der sie damals arbeitete, und die Stimme der Oberschwe ster gehört, die sagte: »Vielleicht ist sie ein Eichhörnchen, wie ihr es formuliert habt, vielleicht ist sie hochmütig und dem Team gegenüber distanziert, aber man muß zugeben, daß sie gut zuhören kann, und die Leute fühlen das. Sie wollen mit ihr sprechen, weil sie wissen, daß sie ihnen zuhört, und das ist eine sehr wichtige Eigenschaft.« Awigail konnte noch immer die verblüfften Gesichter sehen, als sie die Tür aufmachte und schnell hineinging, um diese Unterhaltung zu beenden, eine von vielen, da war sie si cher, die hinter ihrem Rücken über ihre reservierte Hal tung stattfanden.
    Joske redete und redete, und als sie an Jawne vorbeifuhren, nach einem schnellen Seitenblick zu ihr, fing er von seiner Ehe an. Er erzählte auch von der früheren Krankenschwester, Riki, die sie in der Zeit der Krise im Stich gelassen habe. »Aber du weißt ja gar nicht, daß wir in der Krise sind«, sagte er und erzählte ihr die ganze Geschichte mit Osnat. Awigail hoffte insgeheim, er würde etwas über Mord sagen, über absichtliche Vergiftung, um gleich zu erfahren, ob sich die wahre Ursache von Osnats Tod schon wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, doch darüber sagte Joske kein Wort. Er verwendete die Bezeichnung »Katastrophe«, und Awigail nahm sich vor, Michael Ochajon so bald wie möglich von diesem gutmütigen Schwätzer mit dem dicken Schnurrbart, dem Bauch, den Schweißbächen und dem brummenden Hebräisch zu berichten, der offen bar dennoch den Mund halten konnte. Schon da, im Tran sit , auf dem Weg zum Kibbuz, versuchte sie sich vorzustellen, wer ihr wohl im Kibbuz erzählen würde, wie Osnat gestorben war – was sie umgebracht hatte. Doch schon da war ihr klar, daß es schwer sein würde, die Schutzmauer zu durchbrechen.
    Joske hatte unermüdlich von den Schwierigkeiten berichtet, die seine Frau gehabt hatte, um überhaupt schwanger zu werden, von den Behandlungen, die sie durchgemacht hatte, von den Nebenwirkungen des Medikaments Pergo nal, von den Drillingen und den zwei weiteren Kindern, die sie schließlich nach der Behandlung ihrer Unfruchtbarkeit bekommen hatte, und von den vielen Kinderkrankheiten seines jüngsten Sohnes. Auch die psychischen Probleme seiner Schwiegermutter ließ er nicht unerwähnt, die mit ihrem Mann in den Kibbuz gekommen war, um mit ihnen zu leben. Er sprach vom Alzheimer seines Schwiegervaters, von den Schwierigkeiten, mit den beiden alten Leuten um zugehen. Er erwähnte auch, daß einer der Drillinge stot terte. »Du bist Krankenschwester, du kennst so etwas ja«, wiederholte er mehrmals während der Fahrt, in der sie nur ab und zu ein zustimmendes und hilfreiches Wort fallenließ, ansonsten hörte sie genau zu, merkte sich jedes Wort, das gesagt wurde, und wartete geduldig darauf, daß er noch einmal auf Osnat zu sprechen kam. Aber er tat es nicht.
    Als sie an ihrem ersten Tag im Kibbuz im Gebäude der Ambulanz gestanden hatte, dem Gezwitscher der Vögel gelauscht und sich umgeschaut hatte, mußte sie feststellen, daß ihre Angst vor der Rückkehr zur Schwesterntracht unbegründet gewesen war. Erwartungsgemäß war hier alles anders, und nichts hatte mit ihren quälenden Erinnerungen an die Station für innere Krankheiten an der Ichilow-Klinik in Tel Aviv zu tun, an der sie neun Jahre lang auf einer der acht Stationen gearbeitet hatte. Die Klinik war im Lauf der Jahre immer schmutziger geworden, und ein übler Geruch – wie der Mundgeruch eines alten Menschen – hatte an den Wänden geklebt. Und obwohl sie die Unterschiede deutlich sah, spürte sie plötzlich die alte Müdigkeit wieder, die sie in ihrer letzten Zeit im Krankenhaus jeden Morgen überfallen hatte, eine Müdigkeit, die aus Verzweiflung erwuchs. Wie ein Reflex,

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