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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ausgegraben«, murmelte Guta, »sie haben ihn aus der Erde gegraben. Das hat sie krank gemacht.« Ihre Hände zitterten. »Sie sagen, daß auch er an Parathion gestorben ist. Und sie sagen jetzt auch, daß Jankele das Parathion von Srulke mitgenommen hat, und daß er ... daß er ...«
    Fanja begann wieder vor sich hin zu sprechen, halbe Wörter auf Jiddisch.
    »Wir müssen stark sein«, sagte Guta, beugte sich zu dem weißen Aschenbecher und drückte ihre Zigarette auf dem Rand aus. »Wir haben gedacht ... Was verlangen wir schon vom Leben ... Nur ein bißchen Ruhe haben wir gewollt. Das ist alles. Man gibt uns keine Ruhe, dabei wollen wir sonst nichts.«
    Awigail fing an, Fragen zu stellen. Nein, sagte Guta, ihre Schwester habe noch nie Herzanfälle gehabt, auch keine anderen Krankheiten. Sie war nie krank, außer damals, als sie nach Israel gekommen waren, damals hatte sie Tuberkulose, aber die ging vorbei, alle Röntgenaufnahmen der Lunge waren in Ordnung. »Und daran war der Krieg schuld, alles, was in dieser Zeit passiert ist«, sagte Guta entschuldigend. »Außer der Tuberkulose war sie nie krank.«
    Awigail legte eine kleine, gelbe Pille in Gutas Hand und sagte: »Hier, nimm jetzt auch eine.« Dann stützte sie Fanja, die gehorsam Wasser trank. »Ihr habt eine schwere Zeit durchzumachen, und alle reagieren heftig darauf«, sagte Awigail zu Guta, die vorsichtig die Pille auf ihre Zunge legte.
    »Was ist das?« fragte sie, nachdem sie die Pille runtergeschluckt hatte.
    »Nur etwas zur Beruhigung«, meinte Awigail.
    »Sie hatte Schaum auf den Lippen«, sagte Guta. »Ich habe Schaum auf ihren Lippen gesehen. Und das alles, weil die Mädchen in der Schneiderei über Srulke gesprochen haben und weil dieser große Polizist Jankele zum Verhör abgeholt hat. Weil der nachts herumgelaufen ist, denken sie jetzt, daß er Osnat umgebracht hat.« Guta stockte, dann fügte sie hinzu, als erinnere sie sich plötzlich an etwas: »Dabei war er gar nicht dort. Er war die ganze Zeit mit Dave zusammen.«
    »Vielleicht wollen sie ja nur, daß er ihnen behilflich ist, vielleicht hat er etwas gesehen«, sagte Awigail.
    »Und am Feiertag, als Srulke gestorben ist, war Jankele die ganze Zeit bei uns, und anschließend war er in der Küche, er hatte Dienst.«
    »Es wird alles gut werden«, tröstete Awigail.
    »Und jetzt hat dieser Polizist mit dem Schnurrbart zu Fanja gesagt, sie soll mit ihnen kommen, sie wollen mit ihr reden. Ich lasse nicht zu, daß sie mitfährt. Sie kann nirgendwohin fahren.«
    »Wenn der Arzt kommt, bitte ich ihn, daß er nach ihr schaut«, sagte Awigail.
    Fanja richtete sich auf der Liege auf. »Nicht nötig«, sagte sie mit dumpfer Stimme. »Ich brauche keinen Doktor.«
    »Verstehst du«, sagte Guta zu dem Bild von Anna Ticho, »es ist einfach am leichtesten, wenn man sich an uns hält. Jojo zum Beispiel verhören sie nicht, obwohl er alles über Parathion weiß. Sie verhören nur Jankele, der nie im Leben was damit zu tun gehabt hat.«
    »Jojo kennt sich aus mit Parathion?« fragte Awigail.
    »Er hat sogar ein Diplom, das weiß ich«, sagte Guta, ohne jemanden anzuschauen. »Er hatte schon eine Lizenz zum Sprühen, da war er noch ein kleiner Pisser, aber den fragen sie nichts, gar nichts. Auch keine anderen Sachen.«
    »Sie stellen doch nur Fragen«, sagte Awigail. »Das heißt doch gar nichts.«
    »Unser ganzes Leben sind wir hier und arbeiten uns die Finger krumm, nur damit man uns dann abholt und zur Polizei bringt«, schimpfte Fanja. Sie griff nach ihren Wollstrümpfen und zog sie langsam an.

Fünfzehntes Kapitel
     
    Erst in der Nacht, wie Schorer vorausgesagt hatte, schlich sich Michael Ochajon zu dem kleinen Haus am Rand des Kibbuz, in der Häuserreihe vor denen der Nachal-Gruppe, das sie Awigail als Zimmer zugewiesen hatten. Ein gelber Schimmer drang durch die zugezogenen Vorhänge und wurde vom Licht des Vollmonds geschluckt, der dem geteerten Weg einen silbernen, metallischen Schein verlieh. Als er an die Tür klopfte, nachdem er sich nach allen Seiten umgeschaut hatte, kam er sich lächerlich vor. Aber er spürte auch, daß sein Puls schneller ging, er war aufgeregt wie früher, als junger Mann.
    »Niemand hat mich gesehen«, sagte er zu Awigail, als er ihr Zimmer betrat. Ein Zusammentreffen außerhalb des Kibbuz hatte er von vornherein abgelehnt. »Die Intifada«, hatte er gesagt und ihr die Gefahren aufgezählt, denen sie außerhalb des Kibbuz ausgesetzt wären, auf den Feldwegen und den

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