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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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verschlechtert sich sein Zustand vielleicht, dann müssen wir ihn ins Krankenhaus bringen.« Awigail betrachtete ihre Hände. »Jedenfalls gibt es hier alle möglichen seltsamen Dinge, die wohl miteinander zu tun haben, und daß heute etwas in der Zeitung stand, macht alles nicht einfacher. Ich habe schon gehört, daß man heute am Tor ein paar Repor ter abgewiesen hat. Gut, daß ich vorher gekommen bin.«
    »Als wir Mojsch die Sache mit seinem Vater erklärt haben, hat er sehr heftig darauf reagiert«, sagte Michael. »Obwohl wir betont haben, daß man, im Gegensatz zu Osnat, unmöglich sagen könne, ob es sich um einen Mord oder um einen Unfall handle. Aber das hat nicht viel geholfen.«
    »Ein paar Leute hier scheinen in eine Art Koma verfallen zu sein, sie sprechen mit niemandem. Andere wiederum, wie die eine, die Frau des Kassenwarts ...«
    »Er heißt Jojo.«
    »Seine Frau läuft herum mit einem Gesicht wie ... wie ...« Awigail suchte nach dem passenden Wort. »Als ginge es ihr prächtig«, sagte sie schließlich. »Sie geht von einem zum anderen und redet ununterbrochen. Ich habe sie im Speisesaal gesehen. Und ich habe gehört, wie die Leute am Tisch hinter mir geredet haben. Eine Frau hat laut gerufen: ›Es war keiner von uns‹, und eine andere hat ihr zugestimmt. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber ich könnte sie dir zeigen. Ich habe auch gehört, wie sie über Jankele gesprochen haben, und daß Guta, seine Mutter, sich wie ein wildes Tier aufführt und den Kuhstall, wo sie arbeitet, kaum mehr verläßt.«
    »Awigail«, sagte Michael, auskostend, daß er ihren Namen aussprechen konnte. »Guta ist nicht Jankeles Mutter, sondern seine Tante. Seine Mutter ist Fanja, die aus der Schneiderei.«
    »Sie ist eine kranke Frau«, sagte Awigail. »Ich meinte ja auch seine Tante. Beide Frauen sind schrecklich, aber sie leiden.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Also kurz gesagt, ein Motiv habe ich nicht gefunden, aber ich könnte einen Aufsatz über das Thema ›Ein Kibbuz in Schrecken‹ schreiben. Und nicht nur das.«
    Sie schwieg, und dann hörten sie draußen Schritte, das Geräusch trockener Blätter unter Schuhsohlen, gefolgt von einem zögernden Klopfen an der Tür.
    Awigail hielt die Luft an und starrte auf die Klinke, und Michael erhob sich vorsichtig und schlich ins Nachbarzimmer. Awigail sagte mit zitternder Stimme: »Einen Moment bitte«, und öffnete, ohne sich zu erkundigen, wer draußen stand.
    Michael setzte sich auf das Doppelbett. Er schaute sich um, sah den Kleiderschrank, dessen Türen offenstanden, betrachtete die weißen Hemden, die darin hingen, eines neben dem anderen, sah die zusammengefalteten Jeans, zwei weiße Kittel und die wenigen Kosmetikdinge, und im Regal neben dem Bett ein paar Bücher. Dabei versuchte er, die Stimme auf der anderen Seite zu identifizieren. Er hörte die tiefe Stimme eines Mannes, dann Awigails helle, klare, die etwas sagte, was er aber nicht verstand. Er erhob sich und legte das Ohr an die Tür. Den Mann, dem diese Stimme gehörte, kannte er nicht. Er hörte die Worte »Angst vor dem Alleinsein«, und dann sagte Awigail, mit einer Stimme, die ihren Ärger nicht verbarg: »Ich habe keine Probleme, und außerdem finde ich, daß du um diese Uhrzeit zu Hause sein solltest, bei deiner Frau. Ich nehme an, du bist doch verheiratet. Findest du es nicht unmöglich, um zwei Uhr nachts mit so einer dummen Ausrede zu mir zu kommen? Hättest du mit dem Optalidon nicht bis morgen warten können? Und gibt es nicht jemanden, der näher bei dir wohnt, den du mitten in der Nacht hättest wecken können?« Der Mann murmelte etwas, dann sagte Awigail: »Nein. Ob ich mit jemandem darüber spreche oder nicht, entscheide ich allein. Und komm nie wieder ohne Einladung hier herein, auch wenn du von draußen siehst, daß ich noch Licht habe.« Dann wurde die Tür geöffnet und kurz darauf laut zugeschlagen. Awigail drehte den Schlüssel zweimal um, dann stand sie in der Schlafzimmertür und sagte: »Er ist weg.«
    »Wer war das?« fragte Michael.
    »Ach, irgendeiner, ist doch egal. Er zeigt auch Anzeichen von Schock. Er heißt ... Ich habe seinen Namen vergessen, aber er hat heute im Speisesaal mit mir gesprochen. Ich glaube, er heißt Boas, und wenn ich mich nicht irre, ist er Matildas Sohn, er spielt sich hier als Don Juan auf. Nein, er ist nicht der Sohn von Matilda, sondern von Jochewed. Ich glaube, es ist derjenige, der es mit Osnat versucht hat, und seine

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