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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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mißtrauisch.
    »Ich weiß es, weil ich einmal ein Buch über Drogen in Südamerika gelesen habe, und jemand hat mir diese Kakteen gezeigt. Dave versteckt sie noch nicht mal. Ich habe ih n gefragt, wie man den runden Kaktus neben seiner Eingangstür nennt, und er hat ohne Zögern geantwortet: Mescalin.«
    »Was hast du denn dort gemacht?« fragte Michael und erschrak selbst über die Aggressivität in seiner Stimme und das plötzliche Aufflammen von Eifersucht.
    »Ich habe an einer Art Studienprogramm teilgenommen. Gestern war ich in einem Literaturkreis, und vorgestern in einem für Musik. Ich bin drei Tage da, und schon war ich in drei Studienkreisen, und außerdem habe ich noch bei dem Keramikkurs für Erwachsene reingeschaut. Sie sind sehr wichtig, diese Zirkel. Jeder Chawer nimmt an irgendwelchen Studienkreisen teil. Bei Daves Kurs über Mystik und die Geschichte der Mystik trifft man sich bei ihm im Zimmer bei Kräutertee. Es waren mehr Leute als üblich da, das habe ich dem entnommen, was er gesagt hat, und niemand hat den Grund dafür erwähnt. Aber man konnte ihnen ansehen, daß es ihnen schlechtging.«
    Sie schwiegen. Dann sagte Awigail plötzlich: »Ich habe über Fanja nachgedacht. Daß sie es vielleicht getan hat, um Jankele zu schützen. Oder daß Guta es getan hat, um Fanja zu schützen, die es nicht überlebt hätte, wenn Jankele es getan hätte. Auch über Aharon Meros habe ich nachge dacht. Ich habe gehört, daß er noch einmal vernommen werden soll.«
    »Aber er war in Jerusalem«, sagte Michael. »Und es ist ein bißchen schwer, von dort aus innerhalb von einer hal ben Stunde jemanden zu vergiften. Und Fanja war mit zehn anderen in der Schneiderei, Jankele mit Dave im Werk, und Guta im Speisesaal, man hat sie dort gesehen. Es geht nur um eine halbe Stunde oder eine Dreiviertel stunde, in der jemand verschwunden sein muß, ohne daß ihn jemand gesehen hat, aber alle Leute sagen einfach: ›Ich war da und dort‹, ›ich war unterwegs‹. Außerdem brauche ich ein Motiv.«
    »Und ein Motiv gibt es nicht«, sagte Awigail.
    »Ja, und es bringt mich zur Verzweiflung«, bekannte Michael. »Ich habe alle ihre Briefe gelesen, alle Papiere durchgesehen, ich habe auch bei Aharon Meros gesucht, mit seiner Erlaubnis. Nichts. Nicht die geringste Spur. Das Aufregendste, was ich in Osnats Zimmer fand, war das Kibbuz-Bulletin. Ich habe alle Ausgaben vom letzten Jahr mitgenommen, in der Hoffnung, vielleicht etwas Neues zu erfahren, aber sie bringen hier jede Woche eines heraus.«
    Er breitete mit einer hilflosen Bewegung die Arme aus, dann schlug er sich auf die Beine. »In jeder freien Minute habe ich darin geblättert, abgesehen davon, daß Sarit sie systematisch durchgeht. Ich habe gedacht, ich würde etwas finden, was niemand zu verbergen versuchte, weil sie der Sache damals keine Bedeutung zuschrieben. Das einzige, das bei der Durchsuchung ihres Zimmers herausgefunden wurde, war die Bestätigung von Meros' Behauptung, daß sie ganz besessen war von gesellschaftlichen Problemen, von Ideologien.«
    »Ideologien?« wiederholte Awigail zweifelnd.
    »Ja«, sagte Michael. »Was meinst du dazu?«
    »Es ist ein bißchen romantisch, im Zusammenhang mit Mördern von Ideologien zu sprechen. Schließlich wissen wir, aus welchen Gründen Menschen morden.«
    »Ja?« fragte Michael. »Warum morden sie denn?«
    Awigail schwieg.
    »Sollen wir also nicht weitersuchen?« Er schaute sie an. »Meinst du, Awigail, daß wir mit dem Suchen aufhören sollten? Hast du irgendeinen praktischen Vorschlag, irgendeine Vorstellung von einem Motiv, das nicht romantisch ist? Was meinst du denn, Awigail?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Awigail. »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

Sechzehntes Kapitel
     
    Auf dem dünnen Teppich im alten Sekretariat, das man ihnen zugewiesen hatte, häuften sich die Ausgaben des wöchentlichen Kibbuz-Bulletins »Jahreszeiten«. Der Sessel, der vor dem Teppich stand, war alt und abgewetzt, und da, wo ihm ein Bein fehlte, hatte man rote Ziegelsteine daruntergelegt. In diesem Sessel saß Michael Ochajon, in der einen Hand eine Tasse mit kalt gewordenem Kaffee, in der anderen ein Exemplar der »Jahreszeiten«.
    Wieder und wieder glitten seine Augen über den hektographierten Text. Zwischen einer Empfehlung, wie das Bonussystem für Arbeitseinsätze zu verändern sei, und dem Videoprogramm stand der Aufsatz, der ihn dazu gebracht hatte, die anderen Exemplare zur Seite zu legen. Erst las er über die

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