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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Weil er ständig über Juppis wirklichen Namen nachdachte, bekam er von der Satire nicht viel mit, die, wie er von früher wußte und an dem lauten Gelächter der Zuhörer merkte, bissig war, voller Anspielungen und Wortwitze. Aharon schaute zu Chawale hinüber. Gai war auf ihrem Arm eingeschlafen, und Asaf starrte müde zur Bühne, während er ein Fladenbrot in der Hand zerkrümelte und von Zeit zu Zeit hineinbiß. Mojsch hatte das Gesicht der Bühne zugewandt und lächelte, doch plötzlich, nach einem Blick auf seine Uhr, schaute er sich um, und ein besorgter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Wenn er nicht bald kommt, gehe ich mal nachschauen, was mit ihm los ist.«
    Aharon wollte etwas Beruhigendes sagen, doch da blickte ihn einer der Versammelten an und machte eine abfällige Bemerkung über Politiker, und als er den Kopf hob und mit dem gutmütigen Lächeln, das er sich für solche Fälle angewöhnt hatte, etwas antworten wollte, sah er Osnat.
    Von ihren grünen Augen ging jener konzentrierte Blick aus, den er so gut kannte, und er spürte, wie ihm ein Stromstoß mit erschreckender Macht durch den Körper schoß. Sie hatte sich kaum verändert in den acht Jahren, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Noch immer sah sie so aus wie damals – sie erinnerte ihn an einen Panther, mit den blonden Haaren, der dunkelbraunen Haut und den schrä gen Augen, die im Dunkeln leuchteten, wie er sich jetzt, als er sie anschaute, entsann. Sie erwiderte gelassen seinen Blick, mit lächelnder Neugier, ein schneller Blick von der anderen Seite des Tisches. Sie beugte sich vor, um etwas zu dem jungen Mann zu sagen, der neben Chawale saß, und mitten im Satz unterbrach sie sich, streckte Aharon die Hand hin und fragte ihn in einem ernsthaften, gemessenen Ton, wie es ihm gehe. Er wußte genau, daß sie seinen schnellen Aufstieg die ganzen Jahre über verfolgt hatte. Nach Juwiks Tod hatte er ihr einen Beileidsbrief geschrieben, stundenlang hatte er sich bemüht, damit der Brief warm, aber nicht zu verführerisch klang, intim, aber nicht übertrieben. Juwiks Tod hatte die Situation nur noch komplizierter gemacht, und das war etwas, woran Aharon überhaupt nicht denken wollte. Die Einzelheiten und ihre Bedeutung waren zu bedrohlich. Auch Osnat vermied es, daran zu denken, das wußte er genau. Aus ihrer Sicht war die Bedrohung noch realer.
    »Ich schaue mal nach, was mit Srulke ist«, sagte Mojsch entschlossen und stand auf.
    Aharon folgte ihm. »Ich komme mit«, sagte er zögernd, und Mojsch machte keine Anstalten, ihn zurückzuhalten.
    So kam es, daß Aharon bei Mojsch war, als sie Srulke im Blumenbeet neben seinem Zimmer in der Pioniersiedlung A fanden, und zum ersten Mal hörte er, wie Mojsch »Vater« sagte.
    »Was ist passiert, Vater?« fragte er, nachdem er laut gerufen hatte: »Srulke! Srulke, steh auf! Was ist denn los?«
    Aharon war so schockiert darüber, wie heftig Mojsch reagierte und wie haltlos er plötzlich wirkte, daß auch er im ersten Augenblick Srulkes Tod nicht wahrnahm. Srulkes Gesicht, beleuchtet vom gelben Licht der Lampe über der Haustür, sah aus, als sei es in einem heftigen Schmerz erstarrt.
    Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, bis Aharon sich endlich faßte und rief: »Ich hole schnell den Arzt.« Er verließ Mojsch und rannte zurück zum Speisesaal, so schnell, daß der Schmerz in seinem linken Arm zurückkehrte. Während er rannte, fiel ihm ein, daß es in den Zimmern Telefone gab, und er überlegte, ob er zurück rennen und telefonisch einen Krankenwagen bestellen sollte. Einen Moment hielt er inne, doch dann bekam das Gefühl, irgend etwas tun zu müssen, die Oberhand, etwas Wirkliches, eine Anstrengung, die über jede Vernunft hinausging. Atemlos kam er an und fragte einen Chawer, der neben dem Eingang saß, wo der Arzt sei. Der Mann starrte ihn neugie rig an und deutete auf einen der Tische mitten im Speisesaal. Aharon drückte sich zwischen den Stühlen hindurch, stieß gegen Fanja aus der Schneiderei, die ihn erschrocken ansah , und dann gelang es ihm endlich, die Aufmerksamkeit des jungen Arztes zu erregen. Aharon, in dessen Bewußtsein nun der Gedanke überwog, ja keine Panik auszulösen, zog ihn am Arm zur Seite und flüsterte ihm zu, Srulke liege besinnungslos im Blumenbett neben seinem Haus. Der junge Arzt wurde plötzlich ernst, er beschleunigte seine Schritte, und als sie die Tür des Speisesaals erreichten, berührte er die Schulter eines jungen Mannes, der dort stand. »Such

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