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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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also, du bist mir gleich bekannt vorgekommen, ich konnte dich nur nicht einordnen«, meinte der andere.
    »Vielleicht vom Fernsehen«, sagte Chawale. Der Mann nickte und sagte: »Ja, du bist Parteisekretär, stimmt's?« Dann erkundigte er sich wieder nach dem Arbeitsplan. Mojsch antwortete kurz angebunden. »Schau doch auf dem Schwarzen Brett nach, dort stehen die Bonuspunkte«, sagte er am Schluß.
    »Was für Punkte?« wollte Aharon wissen, nachdem der Mann gegangen war.
    »Glaubst du etwa, ich finde noch Freiwillige, so wie früher?« sagte Mojsch vorwurfsvoll. »Unsere Zuständige für die Arbeitsverteilung ist krank, und sie schafft den Job ohnehin nicht. Es macht einen ganz verrückt, wenn Freiwillige für eine Arbeit gebraucht werden. Jetzt bekommt man Bonuspunkte und solches Zeug für die Erntehilfe. Eigentlich ist das gar nicht meine Angelegenheit. Sollen sie doch zu Osnat gehen.«
    »Zu Osnat?« fragte Aharon. Ihm war, als hätte ihm jemand einen Schlag in den Magen versetzt.
    »Habe ich dir das nicht erzählt? Osnat ist jetzt unsere Sekretärin für innere Angelegenheiten.« Mojsch lächelte. »Wir sind erwachsen geworden, wir sind jetzt wer.« Dann wandte er sich um und sagte besorgt: »Was ist das für ein Krach? Ich weiß gar nicht, wie es weitergeht.« Er blickte hinüber zur Bühne, wo offenbar Vorbereitungen für den zweiten Teil des Programms stattfanden. »Wie viele Jahre hast du kein solches Programm mehr gesehen?«
    Aharon zuckte mit den Schultern. »Das letzte Mal war es, glaube ich, als ich selbst noch mitgemacht habe«, sagte er langsam. »Und damals waren es nicht so viele Kinder.« Er versuchte, nicht an den lästigen Schmerz in seinem Arm zu denken.
    »Doch, es gab so viele, aber sie haben erst ab der ersten Klasse an den Feiern teilgenommen, die Kleineren nicht«, sagte Mojsch. »Du siehst, man kann die Veränderungen überall feststellen. Weil man schon die Babys mitbringt, muß man sehr früh anfangen. Früher hat keine Feier vor halb zehn oder zehn Uhr abends angefangen, nachdem alle Kinder ins Bett gebracht worden waren. Und jetzt wirst du merken, daß überhaupt nicht getanzt wird. Vielleicht bei den jungen Leuten, aber wir gehen früh weg, um die Kinder schlafen zu legen.« Er biß in eine Paprikaschote und stand auf.
    »Ich kann Srulke nirgendwo entdecken«, sagte Chawale. »Langsam mache ich mir Sorgen.«
    »Wo ist er? Warum ist er nicht mit euch gekommen?« erkundigte sich Aharon.
    »Er hat gesagt, er müsse schnell noch mal in sein Zimmer, aber er würde gleich nachkommen«, antwortete Chawale. »Und dann habe ich gar nicht mehr an ihn gedacht.« Sie blickte sich suchend um. Mojsch stand jetzt nicht weit von ihnen und sprach mit einer sehr alten Frau, von der Aharon nicht wußte, wer sie war. »Siehst du nicht, daß der Raum zu klein ist für alle?« beschwerte sich die Frau. »In unserem Speisesaal ist nicht genug Platz für solche Feiern. Man kann nichts hören, und man sitzt nicht bequem, und ...«
    »Beruhige dich doch, Menucha«, sagte Mojsch. »Wenn es notwendig ist, wird uns schon eine Lösung einfallen. Man kann den Fortschritt nicht aufhalten. Wir werden später darüber sprechen.« Mit diesen Worten berührte er sanft ihre Schulter und führte sie zu ihrem Platz zurück.
    Die Kinder der fünften Klasse, die »Gänseblümchen«, wie Chawale erklärte, führten einen Tanz auf. Auch ihre Tochter war unter den Tanzenden, und ihr Pferdeschwanz hüpfte bei jedem Schritt. Mojsch nahm wieder auf seinem Stuhl Platz und blickte sich um. »Srulke ist nirgendwo zu sehen«, sagte er vor sich hin. »Ist er noch nicht gekommen?«
    »Vielleicht ist er müde nach dem ganzen Durcheinander von heute nachmittag«, sagte Chawale mit betrübtem Blick, und Aharon lief ein Schauer über den Rücken, als er hörte, wie Mojsch seinen Vater beim Vornamen nannte. Er hatte sich nie an diese Sitte gewöhnen können, die so typisch für Kibbuzkinder war. Sie kam ihm seltsam vor. »Aber heute nachmittag war er gar nicht dort«, wollte er sagen, doch er schwieg, weil alle jetzt der Satire lauschten, die Juppi geschrieben hatte. Aharon erschrak, als er versuchte, sich an Juppis richtigen Namen zu erinnern, und es ihm nicht gelang. Der Gedanke würde ihn jetzt nicht mehr loslassen, das wußte er, wie eine lästige Fliege würde er ihn dazu bringen, immer weiter in seiner Erinnerung zu wühlen, bis ihm der Name einfiel. Es war eine Art Spiel, das er mit sich selbst spielte, er würde Mojsch nicht fragen.

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