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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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das Doppelbett im Schlafzimmer. Der Arzt drückte Srulke die Augen zu und bedeckte ihn mit dem weißen, gestärkten Laken, das zusammengefaltet in einer Ecke des Bettes lag.
     
     
     
     
     
     

Zweites Kapitel
     
    Sie beerdigten Srulke nachmittags, am Feiertag. »Wir haben keine Wahl«, sagte Se'ew Hacohen zu Jochewed, die im Namen von Ruthis alten Eltern protestierte. Sie waren vor ein paar Jahren in den Kibbuz gekommen und beachteten auch hier die Speisegesetze und die anderen religiösen Gebote. Sie wehrten sich gegen eine Beerdigung an einem Feiertag. »Wir haben keine Möglichkeit, ihn hier aufzubewahren«, sagte Se'ew Hacohen leise, warf einen Blick zu Mojsch hinüber, um zu sehen, ob er sie hören konnte, und berührte Jocheweds Schulter. »Man muß ihnen erklären, daß wir es nicht böse meinen. Sag ihnen, daß ich nachmittags bei ihnen vorbeischaue und mit ihnen rede.« Er sprach in dem beruhigenden, verantwortungsbewußten Ton, den er für Krisensituationen reserviert hatte.
    Aharon blieb bis nach der Beerdigung im Kibbuz. Mit niemandem redete er über Osnat, aber er hatte Hoffnungen. Er dachte nicht viel nach über die Beziehung zwischen Tod und Sehnsucht, doch die Beerdigung hier im Kibbuz, Cha wales ruhiges Gesicht und die ernste Miene Amits, Mojschs Husten, nachdem er sich nachts übergeben hatte, das schwere Schweigen Dworkas, die morgens mit roten Augen neben dem Toten gesessen hatte, all das weckte einen Sturm der Gefühle und der Ängste in ihm, die er zu verdrängen suchte. Die Bedeutung dieser Gefühle war ihm nicht ganz klar. Srulkes Tod hätte ihn erleichtern müssen. Er hatte ihn immer als Zeugen seiner alten Demütigungen betrachtet.
    Als Kind hatte er Ehrfurcht vor diesem Mann gehabt, der es durch harte Arbeit schaffte, an vielen Stellen Rasenflächen wachsen zu lassen, geschmückt mit Dutzenden verschiedener Blumen, die dem Kibbuz auch heute noch etwas Unwirkliches verliehen, das Aussehen eines kleinen Paradieses, umgeben von vielen Schattierungen brauner und gelber Farbe. In der Fotoausstellung, die man zu Ehren des Jubiläums im Eingang zum Speisesaal aufgehängt hatte, waren auch einige Schwarzweißfotos einer kahlen Landschaft zu sehen, ein paar Tamarisken auf nackter Erde. Daneben hing ein großes Farbfoto der Anlage vor dem Speisesaal, darunter stand: »Damals und heute«. Unter einem Foto von Srulkes Versuchsgewächshaus, das als klei ner Hobbyraum neben dem Geräteschuppen begonnen hatte und zu einem professionellen Gewächshaus geworden war, zu dem Gäste aus allen möglichen Kibbuzim der Umgebung gepilgert kamen, standen die Worte: »Wenn ihr es wollt, wird es kein Märchen bleiben.«
    Srulke war als schweigsamer Mensch bekannt gewesen, und nie machte er sich die Mühe, das Leben seines Nächsten durch ein Lächeln oder ein freundliches Wort zu erleichtern. Er wollte aber auch niemandem zur Last fallen. Er schien sich überhaupt nicht bewußt zu sein, daß er einen gewissen Einfluß auf seine Umgebung ausübte. Wenn er abends, nach einem Tag harter Arbeit, nach Hause kam und die Kinder fragte, was sie den ganzen Tag getan hatten, interessierte er sich weniger fürs Lernen, sondern erkundigte sich genau, wo sie gearbeitet hatten. Wenn er sich geduscht und ein frisches graues Unterhemd und eine saubere blaue Hose angezogen hatte, ging er hinaus in den Garten, zum Beet vor dem Haus, kümmerte sich um die Blumen, die dort wuchsen, berührte die riesigen Rosen sträucher, begutachtete die Reihen von Fuchsien, von denen er Dutzende verschiedener Sorten besaß, deren Blätter von Blütenkaskaden in Rot, Rosa und Violett niedergedrückt wurden, und erst nachdem er sich über den gelben Jasmin gebeugt und seinen Duft eingeatmet hatte, faltete er die Al Hamischmar* auf. Wenn es anfing, dunkel zu werden, seufzte Srulke, legte sorgfältig die Zeitung zusammen und blickte sich um, stellte den Rasensprenger an, rückte da einen Schlauch zurecht, berührte dort prüfend ein Blatt.
    Je älter Aharon wurde, um so mehr verwunderte ihn die Tatsache, daß Mojsch keine Angst vor seinem Vater hatte. Je älter er wurde, um so klarer wurde ihm, daß Mojsch seinen Vater innig liebte und daß dieser Mann, der ihn, Aharon, so oft gelähmt hatte, und zwar nur durch seine Anwesenheit, seinen ruhigen Fleiß, seinen Sohn überhaupt nicht erschreckte. Eigentlich habe ich immer auf ein gutes Wort von Srulke gewartet, dachte Aharon, auf irgendeine Form von Anerkennung, aber wir hatten, als ich ein Kind war,

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