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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Riki und sag ihr, sie soll die Notfalltasche aus der Ambulanz zu Srulkes Zimmer bringen. Es ist dringend. Und kein Wort zu den anderen, verstanden?«
    Der junge Mann nickte erschrocken und verschwand im Speisesaal. Der Arzt begann zu rennen, und Aharon rannte ihm nach. Unterwegs erkundigte er sich, ob Srulke in der letzten Zeit gesundheitliche Probleme gehabt habe. »Soweit ich weiß, nicht«, sagte der Arzt, »aber ich habe ihn nicht untersucht.« Er wandte den Kopf zu Aharon, der hinter ihm herkeuchte. »Doch in diesem Alter weiß man nie, schließlich ist er kein Jüngling mehr.«
    Endlich erreichten sie die Pioniersiedlung A und den Weg, an dem das Haus stand, in dem Srulke seit Mirjams Tod vor acht Jahren allein lebte. Mojsch stand da, hilflos über Srulke gebeugt, der auf dem Boden lag, und sein Gesicht zeigte einen schrecklichen Ausdruck.
    »Bring mir ein Handtuch«, befahl der Arzt. Aharon be trat das Haus, und sofort schlug ihm der Geruch nach Wachstuch entgegen. Auf dem Weg zum Badezimmer berührte er es und fragte sich, ob es noch dasselbe Wachstuch war wie damals. Außerdem roch es nach Rosen und feuchter Erde, ein Geruch, der nicht gerade typisch für die Wohnung eines alten Mannes war. Als er wieder hinaustrat, stand Mojsch neben dem Arzt, der versuchte, Srulke zu reanimieren, indem er dessen breite, über und über mit grauen Haaren bedeckte Brust rhythmisch drückte. Srulkes weißes Hemd war zerrissen und fleckig, und Mojsch wiederholte immer wieder: »Seine Hände waren naß, er muß versucht haben, den Rasensprenger zu öffnen oder zu schließen, ich weiß es nicht, aber seine Hände waren naß, ich habe sie mit dem Hemd abgetrocknet.«
    Der Arzt reagierte nicht. Er fuhr fort, Srulkes Brust zu bearbeiten, drückte seine Lippen auf den Mund des Liegenden, wie Aharon es Leute im Fernsehen hatte tun sehen. Um sie herum war das Summen von Neonröhren zu hören, das Zirpen von Grillen, und von fern gemeinsames Singen. Der Himmel war voller Sterne, und Aharon fühlte sich sehr klein auf dem Weg zwischen den Blumenbeeten und den Häusern, die sehr klein aussahen, gemessen an der Weite des Himmels und des Landes, das sich um sie herum erstreckte.
    »Wie lange dauert es, bis die Notfalltasche gebracht wird?« fragte er, um den erwachsenen, verantwortungsvollen Ton seiner Stimme zu hören. Der Arzt gab keine Antwort. »Brauchen wir keinen Krankenwagen?« Wieder ant wortete der Arzt nicht. »Wieso hat der Kibbuz keinen Kran kenwagen?« fragte er Mojsch. Dieser erwiderte: »Es gibt einen, aber der Anlasser ist kaputt. Ich habe heute erfahren, daß der Anlasser kaputt ist, heute nachmittag, und ich habe vergessen, Chilik Bescheid zu sagen, weil schließlich diese Woche keine Geburt zu erwarten ist ...« Mojsch schniefte und wiederholte mit erstickter Stimme: »Ich habe vergessen, Chilik Bescheid zu sagen.«
    »Das ist egal, wir hätten es ohnehin nicht rechtzeitig geschafft«, sagte der Arzt. »Bis er nach Aschkelon gekommen wäre ...« Er beendete den Satz nicht, sondern horchte auf die rennenden Schritte und das keuchende Atmen, das vom Weg herüberdrang. »Riki?« rief er, und als eine junge, nach Luft schnappende Frau aus der Dunkelheit trat, sagte er: »Schnell, die Infusion.« Sie nahm eine große Nadel heraus und stach sie in Mojschs Arm, während der Arzt einen Schlauch in seinen Hals schob. Aharon wandte den Kopf ab. »Jetzt schnell die Beatmung«, sagte der Arzt, und Riki reichte ihm das Gerät. Sie arbeiteten mit äußerster Konzentration, wobei der Arzt von Zeit zu Zeit murmelte, die Muskeln seien ganz verkrampft. Als sich nach sehr langer Zeit Srulkes Körper noch immer nicht bewegte, hob der Arzt den Blick zu Mojsch und schüttelte den Kopf. Mojsch setzte sich mit zitternden Knien neben Srulke auf die steinerne Beeteinfassung und streichelte den eingeschrumpften Kopf seines Vaters.
    »Möchtest du, daß wir ihn ins Krankenhaus bringen?« fragte der Arzt, und Mojsch warf ihm einen erstaunten Blick zu.
    »Wofür? Kann das noch was helfen?«
    Der Arzt hüstelte, bevor er mit leiser Stimme sagte: »Nein. Aber dort kann man eine Autopsie durchführen.«
    »Nein«, entschied Mojsch. »Wozu soll das gut sein? Wem soll das nützen?« Und dann, nach einer kurzen Pause: »Was ist schuld? Das Herz?«
    Der Arzt nickte und sagte: »Ja, vermutlich Herzversa gen ... Ich kann einen Totenschein ausstellen ...«
    Schließlich hoben Aharon und der Arzt Srulkes Leiche hoch, trugen sie in die Wohnung und legten sie auf

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