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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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mit einem dicken Gummiband zu einer Art Knoten zusammengehalten wurden und ihr schönes, ungeschminktes Gesicht betonten, das breite Gesicht einer slawischen Bäuerin mit vollen, klar gezeichneten Lippen. Betrachtete man jedes Detail für sich, gab es Unvollkommenheiten – die Nase war zu spitz, die Wangenknochen zu breit, der Blick verschwommen, und auf der dunklen Haut zeigten sich kleine braune Flecken –, doch insgesamt zeichnete dieses Gesicht eine wilde, sinnliche Schönheit aus, die überhaupt nicht zu dem ernsten Ausdruck paßte, den es jetzt zeigte, als sie das Bett herrichtete.
    »Wie ist es wirklich, mit Juwik verheiratet zu sein, dem hübschesten Jungen vom ganzen Kibbuz?« fragte er plötzlich in einem Ausbruch von Grobheit, der ihn selbst überraschte.
    Sie warf ihm einen Blick zu, in dem sich Wut und Trauer mischten, biß sich auf die Lippe und sagte schließlich: »Vielleicht hörst du auf?«
    Verwirrt und beschämt antwortete er: »Entschuldige, es tut mir leid, es ist mir nur so rausgerutscht. Wir haben nie darüber gesprochen. Aber ich möchte wirklich wissen, wie es dir geht.«
    Osnat betrachtete ihn ernsthaft, ihre Mundwinkel glätteten sich, und ihre Augen wurden wieder schmal. »Gut«, sagte sie. »Wirklich gut. Zur Zeit kümmere ich mich nur um mein Studium.«
    Er wußte nicht, wieso er das Gefühl hatte, daß sie sich, wenn er sie an sich zöge, nicht wehren würde. Eine Welle der Trauer und Einsamkeit stieg in ihm auf, er nahm ihre weiche Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Als sie den Kopf hob, sah er den vertrauten Ernst auf ihrem Gesicht, ein Ernst, der die Verlassenheit überdeckte, die ihn immer für sie, die Schwester im Leid, eingenommen hatte. Ihrer beider Hände, die nun auf der Hose aus Wollstoff ruhten, die er sich während seines letzten Aufenthalts in London gekauft hatte, verwandelten sich plötzlich zu zwei kleinen, vom Traubenpflücken zerkratzten Handpaaren. Er sah sie beide als Kinder, wie sie im Kinderhaus auf dem Bettrand saßen, und erinnerte sich an seinen Wunsch, ihre Hände zu berühren. Es mußte in dem Jahr gewesen sein, als er Bar-Mizwa* wurde, einige Monate bevor sie das Gespräch von Alex und Riwa belauschten. Bis zu jenem Abend hatte er nie gewagt, sie zu berühren.
    Allmählich kamen die Sätze, die mit »Weißt du noch« begannen, und eine ganze Weile erlebten sie in ihrer Erinne rung wieder die Momente der Einsamkeit und des Hasses auf die anderen. Es war ganz natürlich, daß Aharon plötzlich, ohne Scheu, sagte: »Ich habe selbst nicht gewußt, wie sehr ich dich damals begehrt habe«, und Osnat zögernd antwortete: »Aber ich konnte es nicht. Ich weiß nicht, ob ich es wollte oder nicht, ich konnte es einfach nicht.« Wie jemand, der sich nimmt, was ihm zusteht, in einem Ausbruch von Selbstsicherheit, die er nie zuvor gefühlt hatte, nahm er sie in die Arme und drückte sie an sich, und was in der Vergangenheit unmöglich erschienen war, war auf einmal, in dieser Nacht nach Mirjams Beerdigung, natürlich und selbstverständlich.
    Um zwei Uhr nachts stand Osnat auf und zog sich schnell und wortlos an. Sein zögerndes Lächeln ignorierte sie. Als sie an der Tür stand, fragte er, ob sie sich wieder treffen würden, und sie sagte: »Wozu? Wohin soll das führen? So nicht.«
    »Was soll das heißen?« fragte Aharon, setzte sich im Bett auf und wickelte die Wolldecke, die sich kratzig und unangenehm anfühlte, fester um sich.
    »Das soll heißen, daß ich dich auf diese Art nicht wiedersehen möchte.«
    »Aber du fährst zu deiner Ausbildung nach Ramat Aviv, du wirst in der Stadt sein, und ...«
    »Ich will nicht«, sagte Osnat mit harter Stimme. »Wenn du hier herkommst, können wir uns treffen, und wenn nicht, dann eben nicht.«
    Aharon seufzte und blickte sie schweigend an. Dann sagte sie: »Und glaube ja nicht, daß ich immer so etwas tue.«
    »Hör doch auf«, wehrte er ungeduldig ab. »Man könnte fast glauben, ich wäre ein Fremder.«
    »Nein«, sagte sie und kniff die Augen mißtrauisch und prüfend zusammen. »Du sollst wissen, daß so was gegen meine Grundsätze ist. Ich habe nicht vor, das zu wiederholen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Vermutlich bin ich verrückt geworden.«
    »Ich glaube, daß Juwik ein weniger empfindliches Gewis sen hat als du. Erst heute habe ich von ihm und dieser Volontärin ...«
    Mit ruhiger Stimme, die ihren unterdrückten Ärger verriet, unterbrach ihn Osnat: »Juwik und ich, das ist nicht

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