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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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unternahm und das rückwärtige Tor leise hinter sich zumachte. Er spürte nur seine Unfähigkeit, von ihr abzulassen, von der Hoffnung, daß er für Osnat wieder dasselbe fühlen würde, was er so viele Jahre für sie gefühlt hatte.
    Natürlich wußte er, daß Osnat damals Juwik gewählt hatte, weil er Dworkas Sohn war, weil er eine braungebrannte Haut und schwarze Locken hatte, und weil er die Ausbildung zum Marinekapitän mit Auszeichnung bestanden hatte. Die Tatsache, daß Aharon die Position des Feldfruchtmanagers innehatte und somit einen wichtigen Platz im Kibbuz einnahm, änderte daran nichts. Osnat hatte ihre Stellung durch die Ehe mit einem Mann, dessen Mutter sozusagen die Wirbelsäule des Kibbuz war, festigen müssen. Manchmal fragte sich Aharon, ob sie ihre Motive eigentlich kannte und bis zu welchem Ausmaß ihre Schritte berechnet waren. Er vermutete eher, daß sie sich der Rache, die in ihrer Ehe mit Juwik lag, nicht wirklich bewußt war, daß sie noch nicht einmal die Süße ihres Sieges genoß.
    Nach seinem Weggang aus dem Kibbuz, als die Verletzung im Lauf der Jahre langsam weniger schmerzte, hatte er sich zuweilen gefragt, ob ihr die Ehe mit Juwik wirklich die Sicherheit und die innere Gelassenheit gebracht hatte, nach der sie sich so sehnte, ohne sich dessen bewußt zu sein. Oder ob sie noch immer von Wut und Haß getrieben wurde, von den Verletzungen, deren Gründe und Auswirkungen er aus ihrer gemeinsamen Kindheit so gut kannte. Und als er zum ersten Mal mit ihr schlief, in der Nacht nach Mirjams Beerdigung, als sie mit Juwik bereits zwei Kinder bekom men hatte, erkannte er, daß sich nichts geändert hatte. Unter ihrem gelassenen, zielgerichteten Verhalten waren noch immer die Kränkung und der Haß zu spüren. Was Chawale über Juwiks Affären mit Volontärinnen aus dem Ausland und jungen Mädchen aus dem Nachal, die im Kibbuz stationiert waren, zu erzählen hatte, unterstützte natürlich ihr Zugehörigkeitsgefühl nicht, welches sie trotzdem demonstrativ zur Schau stellte.
    Als Aharon von der Geburt ihres ersten Sohnes, der ungefähr zwei Monate nach der Hochzeit auf die Welt kam, erfahren hatte, wußte er sofort, daß Osnat von dem Mo ment an, als sie sich für Juwik entschied, an Kinder gedacht hatte, an Kinder, die Dworkas Enkelkinder sein würden. Sie hatte immer unter dem Schrecken gelebt, verstoßen worden zu sein. Jetzt waren ihre Kinder Dworkas Enkelkinder. Einmal hatte er Osnat gefragt, mit einem Lächeln, das sich erst während der Frage auf seinem Gesicht ausbreitete, was Dworka eigentlich von ihr in der Zeit, als sie die regionale Kibbuzoberschule leitete, eigentlich gehalten habe, sagte sie erstaunlich ernst: »Warum lachst du jetzt? Glaubst du etwa, ich hätte mich nicht geändert, seit ich siebzehn war? Daß mich Dworka immer noch für oberflächlich hält, so wie früher? Keiner glaubt das mehr, das kann ich dir sagen. Sie weiß jetzt schon seit Jahren, daß ich nicht zu dem geworden bin, was sie mal erwartet hat.«
    Trotz seiner Bitte (er hatte nur einmal gewagt, darum zu bitten, und sie hatte geantwortet: »Nicht nötig, wozu soll das gut sein?«) stellte Osnat das Telefon nicht aus, wenn er da war. Sie wurde oft wegen irgendwelcher organisatorischer Fragen angerufen, und er registrierte erstaunt den Gesprächston, den sie sich für solche Fälle angewöhnt hatte – gesetzt, vernünftig und unerschütterlich von der Richtigkeit ihrer Worte überzeugt. Wenn er feststellte, daß so ein Telefonat das letzte bißchen ihrer Vitalität aufgebraucht hatte, wurde er sehr bedrückt und pessimistisch, was die ersehnte wortlose Intimität zwischen ihnen betraf. Ohne hin, das wußte er, war es die Intimität zweier Außenseiter, die taten, als gehörten sie zur gleichen großen Familie, während beide einen Millimeter unter der Haut fühlten, daß niemand auch nur für eine Sekunde vergaß, wo sie herkamen.
    Bei ihrem dritten oder vierten Treffen wollte sie von ihm wissen, ob er die Möglichkeit erwog, in den Kibbuz zurückzukommen. Er verneinte es und erkundigte sich vorsichtig, ob sie sich ein Leben außerhalb der Gemeinschaft vorstellen könne. Zu seinem Erstaunen schloß sie diese Möglichkeit nicht völlig aus. Und während desselben Gesprächs sagte sie: »Dworka wird keinesfalls zulassen, daß ich die Kinder mitnehme.« Als Aharon meinte, die Kinder gehörten doch ihr, antwortete sie mit einem Blick zur Tür: »Du weißt gar nicht, was du da sagst. Die beiden ersten hat sie

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