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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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fast mit Gewalt an sich gezogen, und die beiden Kleinen, das kannst du ja selbst sehen, bringt sie jeden Abend ins Bett. Ich habe immer das Gefühl, sie traut mir nicht zu, daß ich ihnen die richtigen Werte beibringe. Nie im Leben würde sie zulassen, daß ich sie aus dem Kibbuz mitnehme. Tu mir einen Gefallen: Wenn sie das mit uns beiden herausfindet und mit dir darüber spricht, mußt du es mir sagen.«
    Nie hatte sich Osnat auf die Werbung der geschiedenen Männer des Kibbuz eingelassen, auch nicht auf die der Verheirateten, aber als Towa, die Tochter Se'ew Hacohens aus zweiter Ehe mit Chana Spitzer, ihr im Speisesaal, vor allen, eine Szene gemacht hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, daß ihre jahrelangen Versuche, sich von dem Bild des schönen, leichtfertigen Mädchens zu befreien, sich in einer Sekunde in Rauch auflösten. »Er war tatsächlich ein paarmal hier, mit eindeutigen Absichten, doch ich war nicht interessiert. Ich habe mich nie mit einem Verheirateten eingelassen, ich habe mich überhaupt mit niemandem eingelassen. Aber auch wenn alle wissen, daß an Towas Vorwürfen nichts dran ist, hat doch allein der Verdacht gereicht, alles kaputtzumachen.« Sie erklärte nicht die Bedeutung von »alles kaputtmachen«, aber er verstand genau, was sie meinte.
    Er erinnerte sich an einen Tag, als sie beide in der achten Klasse waren. Sie wollten Alex aufsuchen, um mit ihm den Besuch von gleichaltrigen Schülern aus einer Tel Aviver Schule der Arbeiterbewegung zu besprechen. Es ging um technische Schwierigkeiten, um die Frage, wo die Schüler übernachten sollten und ob sie beim freiwilligen Arbeitseinsatz, der Pfirsichernte, mitmachen sollten. Aharon erinnerte sich noch genau, wie Alex' Zimmer in der Baracke ausgesehen hatte. Heute wohnten dort die Wehrpflichtigen aus dem Kibbuz, und davor, auf der Wäscheleine, hingen Uniformen. Damals gehörte das Zimmer Alex und Riwa. Alex organisierte die Arbeitseinsätze, und Riwa war die Krankenschwester des Kibbuz.
    Aharon und Osnat kamen von hinten und mußten an den weit offenen Fenstern vorbeigehen. Es war heiß, und die Holzbaracke strahlte die Hitze aus, die sie während des Tages aufgesaugt hatte. Die Wände knackten, als er und Osnat unter dem Maulbeerbaum standen, der damals ne ben dem Fenster wuchs, inzwischen aber wegen seiner verfaulten Wurzeln abgesägt worden war. Osnat legte ihm den Finger auf die Lippen und packte ihn am Arm. Ihr Griff wurde immer fester, je länger Riwas Stimme zu hören war, diese angenehme Stimme, mit der sie die Kinder beruhigte, bevor sie ihnen eine Spritze gab. Genauso hatte sie auch gesprochen, als sie Aharon ein Furunkel ausgedrückt hatte, das er im Sommer auf der Innenseite des Schenkels bekommen hatte, und ihm verbot, am Klassenausflug nach Haifa und in den Norden des Landes teilzunehmen. Übrigens hatte Lotte, die Betreuerin, nach der Rückkehr der Kinder Wanzen entdeckt, und alle Matratzen wurden verbrannt, alle Kleidungsstücke in Petroleum getaucht, und er, Aha ron, war der einzige gewesen, der an der allgemeinen Desinfektion nicht teilnehmen mußte.
    Mit derselben ruhigen, sanften Stimme sagte Riwa nun: »Auf Osnat wird man aufpassen müssen. Mit einem Hintergrund wie ihrem wird es ihr schwerfallen, sich einzufügen. Ich sage dir, solche Dinge sind genetisch bedingt, und wenn es eines Tages ausbricht, wird es zu spät sein, und sie hat jetzt schon einen Blick wie ihre Mutter.«
    Er erinnerte sich auch an Alex' Stimme, der in vernünftigem Ton etwas antwortete, was er nicht verstand, und an Osnats schweres, keuchendes Atmen. Ihren Zorn konnte er daran merken, wie sie ihn festhielt, ein schmerzhafter Griff. Sogar jetzt, nach über dreißig Jahren, meinte er den Schmerz zu spüren, während sie von der Szene erzählte, die ihr Towa im Speisesaal gemacht hatte. »Sie hat mich beschimpft, vor allen anderen, hemmungslos und ohne Erbar men, und als die anderen sie zum Schweigen bringen wollten, hat sie nur noch lauter geschrien: ›Eine Hure bist du, machst Familien kaputt, du bist genau wie deine Mutter.‹ Es hat mir nichts genützt, daß ich überhaupt nichts getan hatte. Mir war klar, daß nun auch diejenigen, die noch nichts gewußt haben, bald alle Informationen über meine Mutter bekommen würden.« Als sie das sagte, spürte er wieder denselben Schmerz am Arm wie damals, als sie ihm ihre Finger mit den abgebis senen Nägeln in die Haut gedrückt hatte. Am nächsten Tag hatte er blaue Flecke am Arm, blaue Flecke, die

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