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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sind mit einer so großen Gruppe, die nur darauf bedacht ist, das Alte zu bewahren, einfach nicht zu erreichen. Wir haben hier dreihundertvierzig Mitglieder, davon sind hundertvierzig alte Leute! Um eine Entscheidung über Grundsatzfragen wie das Übernachten der Kin der bei ihren Eltern zu erreichen, brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit, und viele von den Alten sind einfach dagegen. Auch von den jüngeren Mitgliedern sind einige dagegen, aus den verschiedensten Gründen. Du machst dir keine Vorstellung davon, wie beschränkt und voller Vorurteile manche Leute sind.«
    Aharon versuchte, das unangenehme Gefühl beiseite zu schieben, das ihn bei ihrem Eifer beschlich. Ihre Argumente über die Kräfte, die sich dem Fortschritt in den Weg stellten, hatten etwas Grausames an sich, eine Grausamkeit, deren Quelle ihm klar war. Das verwirrte ihn, und dennoch erstaunte ihn ihre Kraft, die Begeisterung, mit der sie an ihre Vision glaubte. Es dauerte Stunden, bis er es endlich wagte, ihre Hand zu berühren. Davor saßen sie sich am Couchtisch gegenüber, sie sprach begeistert, und er dachte nur daran, ihre Hand anzufassen. Er war fest entschlossen, in dieser Nacht mit ihr zu schlafen, aber der Gedanke an die schwerfälligen Bewegungen, die er zu machen hätte, um von seiner Seite des Tisches zu ihr zu gelangen, hielt ihn zurück.
    Schließlich war sie es, die auf die andere Seite kam und sich neben ihn aufs Sofa setzte. Frei von sexuellen Absichten, nur um ihm eine Tabelle mit den Ausgaben zu zeigen, die der Kibbuz für jedes einzelne Mitglied aufbringen mußte. Sie beugte sich über die Broschüre, in der die Tabelle veröffentlicht war, er betrachtete ihre Schultern, und schließlich nahm er ihre Hand. Sie reagierte nicht darauf. Ihre Hand lag in seiner, trocken und starr. Er hatte keine Ahnung, welche Schritte sie als nächste von ihm erwartete, mehr als alles andere sehnte er sich danach, die alte Vertrautheit wieder zu spüren, zu wissen, was sie wirklich dachte. Es fiel ihm schwer zu glauben, daß die Kibbuzideologie die einzige Quelle ihrer emotionalen Kraft war (ihre Kinder hatte sie kaum erwähnt).
    Er streichelte ihren Arm und dachte an ihre Schönheit, an all die Jahre, die sie seit Juwiks Tod allein war. Als er ihren Kopf liebkoste, wußte Aharon schon, daß er selbst nicht vor Leidenschaft brannte. Er fürchtete sich vor ihr. Und vor der Möglichkeit, daß das, was als nächstes geschah, ihn seiner Phantasien berauben würde. Man konnte nicht sagen, daß sie nicht reagierte. Sie wandte ihm sogar den Kopf zu, beantwortete seine Umarmung, bot ihm ihre Lippen an, alles. Doch all dem fehlte es an Lebendigkeit, an Wärme. Er stand auf und führte sie zum Schlafzimmer, in dem die Klimaanlage laut surrte. Sie ließ sich von ihm ausziehen, was er mit ungeschickten Bewegungen und einem verlegenen Lächeln tat. Auch jetzt warnte ihn sein Instinkt, keine Witze über seine Ungeschicklichkeit zu machen.
    Schließlich half sie ihm mit ein paar passenden Bewegungen. Sie faltete ihre Kleider zwar nicht ordentlich zusammen, legte sie aber unten auf den Bettrand, ohne jede Erregung, wie jemand, der eine Rolle spielt. Er war verlegen und zog sich schnell aus. Dabei wurde er sich bewußt, wie weiß sein Körper war und daß er nicht geduscht hatte. Er stieg in Unterhosen ins Bett. Sie sprachen nicht miteinander. Der Geruch ihres Körpers war fremd, und er war wie gelähmt vor Angst, daß sie jeden Augenblick zu sich kommen könnte.
     
    Auch danach wagte er es nicht, etwas zu sagen. Sie stand auf, und er hörte in der Dusche das Wasser laufen. Als sie, in ein großes Handtuch gewickelt, zurückkam, fragte er sie: »Hat es dir Spaß gemacht?«
    Sie nickte leicht und blickte ihn ruhig an. Dasselbe Gefühl, das ihn davon abgehalten hatte, durch das Haupttor in den Kibbuz zu fahren, mit der Affäre aufzuhören, ehe sie überhaupt begann, von dort zu fliehen, bevor die letzten Phantasien starben, hinderte ihn auch jetzt daran, über das zu sprechen, was geschehen war. Er redete sich selbst ein, daß er ihr Zeit lassen und geduldig darauf warten müsse, was beim nächsten Mal geschehen würde. Aber diese Enttäuschung verließ ihn nie. Auch bei seinen folgenden Besuchen hatte die Liebe stets einen bitteren Beigeschmack. Ihr anhaltendes Schweigen hielt er für eine Art Preis, den sie beide zu bezahlen hatten, um seine Besuche zu rechtfertigen. Er verstand selbst nicht, warum er fortfuhr, sie anzurufen, warum er diese nächtlichen Fahrten

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