Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
wurde entgegengenommen von ...«
»Diese Details sind unwichtig«, sagte Nahari ungedul dig. »Kommen Sie bitte gleich zu den Kernpunkten.«
Machluf Levi wurde rot, man sah ihm an, daß ihn dieser Einwurf kränkte. Michael machte sich innerlich Vorwürfe, weil er sich eingebildet hatte, an ihm eine Ähnlichkeit mit Onkel Jacques zu erkennen.
»Laß ihn doch«, sagte Schorer und ersparte dadurch Machluf Levi zu protestieren. »Selbst wenn es ein paar Minuten länger dauert, so viel Zeit haben wir.« Dann wandte er sich an Machluf Levi: »Erzählen Sie ruhig, wie Sie es für richtig halten, mit allen Details.« In seiner Stimme lag die Autorität, die Michael, obwohl er sie gut kannte, jedesmal wieder erstaunte, weil sie immer in unerwarteten Momenten zutage trat.
»Nun, um es kurz zu machen, Wachtmeisterin Kochawa Strauß und ich fuhren zum Krankenhaus, und dort spra chen wir mit Frau Dr. Gilboa. Man hatte die Leiche einer fünfundvierzigjährigen Frau ins Krankenhaus gebracht, Osnat Harel. Sie war offenbar an einer allergischen Reaktion auf eine Penicillinspritze gestorben, die sie im Kibbuz bekommen hatte. Frau Dr. Gilboa, der diensthabenden Ärztin, blieb nichts anderes zu tun, als die genaue Todesursache herauszufinden. Sie ist zwar noch ziemlich jung, aber eine gute Ärztin«, versicherte Machluf Levi, »ich hatte schon ein paarmal mit ihr zu tun«, sagte er, und vielleicht schoß ihm auch der Gedanke durch den Kopf, ins Detail zu gehen, um Dr. Gilboas fachliche Kompetenz zu unterstreichen, doch ein Blick auf Nahari, der mit seinen Fingern demonstrativ auf den Tisch trommelte, ließ ihn seine Absicht sofort vergessen. »Jedenfalls hat sie der Familie und dem Sekretär des Kibbuz, die inzwischen angekommen waren, erklärt, daß man die Leiche zur Obduktion zum gerichtsmedizinischen Institut nach Abu Kabir bringen müsse.«
»Informieren Sie uns doch noch mal genau«, sagte Schorer in väterlichem Ton. »Weshalb konnte man nicht genau feststellen, ob der Tod eine Folge der Penicillinspritze war? Davon habe ich Ochajon noch nichts erzählt, er kennt nur das, was in den Akten steht.« Schorer sah warnend zu Nahari hinüber, der inzwischen aufgehört hatte, auf den Tisch zu trommeln, aber nun aufmerksam seine Finger betrachtete und jeden einzelnen knacken ließ.
»Das ist so«, sagte Machluf Levi mit einem Blick zu Michael, der sich wieder eine Zigarette anzündete, ohne den Blick von Levi zu lassen. »Ich habe mit der Krankenschwester des Kibbuz gesprochen, einer Angestellten, die bald aufhört mit dieser Arbeit, schon Ende des Monats. Sie ist vierunddreißig, heißt Riwka Maimoni und wird von allen Riki genannt. Sie ist eine erfahrene Krankenschwester, früher hat sie im Barsilai-Krankenhaus gearbeitet und kennt dort alle. Die Krankenschwester hat das, was passiert ist, folgendermaßen beschrieben: Sie sagt, die Verstorbene hatte eine schwere Lungenentzündung, das wurde vom Arzt des Kibbuz, Dr. Reimer, festgestellt. Dr. Reimer arbeitet im Soroko-Krankenhaus in Be'er Schewa, lebt aber im Kibbuz als angestellter Arzt. Die Lungenentzündung, die er am Abend davor festgestellt hatte, am Sonntag, war ziemlich schwer, und er wollte die Frau am Montag ins Krankenhaus einliefern lassen. Aber sie war überhaupt nicht damit einverstanden...«
»Wer war nicht damit einverstanden?« wollte Michael wissen. »Die Patientin?«
Machluf Levi nickte und korrigierte: »Die Verstorbene. Schwester Riki hat gesagt, sie sei eine extrem halsstarrige Person mit einem starken Willen gewesen, eine, die sich nichts sagen ließ. Und er, der Arzt, wußte nicht, um was für eine Art Lungenentzündung es sich handelte. Es gibt zwei Arten, eine ansteckende und eine, die nicht ansteckend ist, ich habe vergessen, wie sie genannt werden.« Er warf Michael einen entschuldigenden Blick zu, und der verzog den Mund, als wolle er sagen: Ich habe auch keine Ahnung.
»Es war entweder eine Virusinfektion oder eine bakterielle Infektion«, sagte Nahari müde. »Und es ging dem Arzt bestimmt nicht darum, ob ansteckend oder nicht, sondern um die Frage, ob eine Antibiotikabehandlung überhaupt hilft. Aber das ist egal, fahren Sie fort.«
»Sie haben die Frau in ein Zimmer in der Krankenstation des Kibbuz gebracht, und dort hat ihr die Schwester im Auftrag des Arztes eine Penicillinspritze gegeben, das steht ja auch im Bericht.«
»Penicillin, sechshunderttausend Einheiten«, sagte Nahari und kratzte sich an seinem spitzen, vorbildlich rasier ten Kinn.
Weitere Kostenlose Bücher