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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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»Warum hat man ihr keine Tabletten gegeben?«
    Machluf Levi zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich, das war die Entscheidung des Arztes. Er hat die Behandlung festgelegt, schließlich war er der Arzt, oder?«
    Nahari nickte, doch es war nicht zu übersehen, daß ihn etwas störte. Er strahlte nun wieder eine Gereiztheit aus, die er überwunden zu haben schien. Ein anderer hätte das vielleicht durchgehen lassen, nicht aber Imanuel Schorer. Er fragte: »Wo genau liegt dein Problem?« Michael fürchtete, Schorer könne platzen und Nahari wegen seiner notori schen Besserwisserei direkt angreifen.
    »Mein Problem ist folgendes: Soweit ich weiß und wenn ich mich nicht täusche«, sagte Nahari mit einer vorgegebenen Bescheidenheit, mit der er jedoch niemanden täuschen konnte, »gibt man bei Lungenentzündung schon seit zwei, drei Jahren keine Penicillinspritzen mehr, sondern zieht eine Behandlung mit Tabletten vor. Deshalb würde ich gerne wissen, was genau vorgefallen ist.«
    »Ich habe diesen Punkt nicht geklärt, und Frau Dr. Gil boa hat nichts darüber gesagt«, wandte Machluf Levi ein.
    »Notieren Sie sich, daß dieser Punkt geklärt werden muß«, sagte Nahari zu Michael, der trotz seines inneren Widerstrebens den neuen gelben Bleistift, der neben der Mappe gelegen hatte und auf dem er nun schon seit einigen Minuten herumkaute, aus dem Mund nahm und sich eine Notiz machte.
    »Einen Moment«, sagte Nahari, »bevor wir weitergehen, möchte ich noch etwas wissen. Haben Sie mit dem Kibbuzarzt, der die Spritze verordnet hat, überhaupt gesprochen?«
    »Nein«, antwortete Machluf Levi. »Das hat nicht geklappt, er hatte Dienst bis zum nächsten Abend, dann fuhr er gleich zur Armee, zum Reservedienst, und ich habe ihn bisher noch nicht erwischt.«
    Auf Naharis Gesicht zeigte sich ein leicht triumphieren der Ausdruck, dem anzumerken war, daß sich seine Erwar tung erfüllt hatte. Er hatte Machluf Levi ertappt. »Man kann jemanden vom Reservedienst wegrufen, wenn es nötig ist«, sagte er mit gleichgültiger Stimme, während er Schorer amüsiert anschaute.
    »Kann ich fortfahren?« fragte Machluf Levi zögernd, zündete sich eine Zigarette an und legte das Feuerzeug neben die Mappe, in die er von Zeit zu Zeit einen Blick warf.
    »Ja, bitte, fahren Sie fort«, ermutigte ihn Schorer.
    »Man hat ihr also die Spritze gegeben. Schwester Riki saß noch ungefähr zwanzig Minuten an ihrem Bett, und alles war in Ordnung. Dann ist sie weggegangen, Schwester Riki, meine ich, weil sie in der Ambulanz arbeiten mußte.«
    »Und wo war der Arzt zu diesem Zeitpunkt?« fragte Michael.
    »Das war's ja eben. Er hatte es furchtbar eilig, weil er Dienst im Krankenhaus in Be'er Schewa hatte. Er arbeitet im Soroko, das habe ich ja schon gesagt.«
    »Die Patientin ist also allein in der Krankenstation geblieben?« erkundigte sich Schorer erstaunt.
    »Nein, nein«, berichtigte Machluf Levi, »sie war nicht allein. Dort in der Krankenstation haben sie angestellte Pflegerinnen. Sie arbeiten im Schichtdienst, vierundzwanzig Stunden am Tag, weil es nämlich noch zwei alte Leute gibt, die pflegebedürftig sind. Es ist da nicht üblich, die Alten in ein Alters- oder Pflegeheim zu stecken.«
    »Sie war also dort mit der Krankenpflegerin und den beiden Alten«, stellte Nahari fest. »Und weiter?«
    Machluf Levi seufzte. »Von den Alten erfährt man gar nichts, sie sind schon auf der obersten Stufe der Leiter.« Er schwieg einen Moment, als überlege er etwas, was nicht zur Sache gehörte, dann seufzte er noch einmal und sagte: »Sie sind beide verwirrt. Man kann nicht mehr reden mit ihnen. Die alte Frau spricht zwar noch, aber nichts zur Sache. Der alte Mann gibt überhaupt keine Antwort. Die Krankenpflegerin hat ausgesagt, daß sie ungefähr um drei aus dem Zimmer, in dem die Verstorbene lag, Geräusche gehört hat. Sie ging hinein. Die Verstorbene hat sich erbrochen und bekam keine Luft, dann röchelte sie und starb.«
    »Was ist die Krankenpflegerin für eine Frau?« fragte Schorer, während er in den Unterlagen blätterte. »Da, ich habe ihre unterschriebene Aussage.« Er überflog sie rasch und mechanisch. »Nach dem, was hier steht«, sagte er langsam zu den Anwesenden, die nun auch in den Papieren blätterten, »hat sie die Schwester angerufen, und die ist aus der Ambulanz gekommen, hat Wiederbelebungsversuche unternommen und den Krankenwagen bestellt.« Bei den letzten Worten blickte er Machluf Levi an.
    Dieser machte einen tiefen Atemzug und

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